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CD GAETANO DONIZETTI: Edition „Songs“, Vol.3; Opera Rara. MICHAEL SPYRES und CARLO RIZZI mit französisch- und deutschsprachigen Liedern für Tenor

05.03.2025 | cd

CD GAETANO DONIZETTI: Edition „Songs“, Vol.3; Opera Rara

MICHAEL SPYRES und CARLO RIZZI mit französisch- und deutschsprachigen Liedern für Tenor

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Ganz und gar außergewöhnlich: Opera Rara stellt in seinem auf insgesamt acht Alben projektierten Aufnahmeprojekt alle Lieder Donizettis für Solostimme vor. Der emeritierte Professor Roger Parker am King’s College London, Repertoireberater des Labels, hat gemeinsam mit Ian Schofield nachgeforscht und herausgefunden, dass Donizetti in seiner über 30 Jahre langen Karriere außer den Opern an die 200 Gesangsstücke mit Klavierbegleitung geschrieben hat. Darunter finden sich charmante melodienselige Canzonette, gefühlvoll-romantische Vokalkompositionen für den Hausmusikgebrauch, opernhaft ornamentierte Lieder (aber keine Opernarien, die nur mit anderen Texten unterlegt worden waren) oder solokantatenähnliche Stücke. Darunter fällt die über zwölf Minuten lange, stilistisch an Schuberts „Erlkönig“ erinnernde Zwiesprache eines Novizen mit einem von irdischen Freuden lockenden bösen Geist („La Dernière Nuit d’un Novice“, Track 7), die Donizetti für den französischen Tenor Adolphe Nourrit, seinem Ideal für die Oper „Poliuto“, geschrieben hatte.

Die Quellen, auf die zurückgegriffen wurde, erstrecken sich über mehrere Kontinente, wobei der Großteil von Donizettis Manuskripten auf die Bibliothèque nationale de France, die Bibliothek des Conservatorio San Pietro a Majella in Neapel und verschiedene Institutionen in Donizettis Geburtsstadt Bergamo konzentriert sind. Ein Teil der Autographe war in alle Ecken verstreut. Manche Orte fühlen sich beinahe unwirklich an, wie etwa der Fund von 20 wichtigen Solo-Liedern im Musikarchiv der österreichischen Benediktinerabtei Kremsmünster, von denen bislang angenommen wurde, dass sie sich in nicht zugänglichen Privatsammlungen befinden.

Bisher sind vier Ausgaben der Edition erschienen, die von Lawrence Brownlee, Nicola Alaimo, Marie-Nicole Lemieux und Michael Spyres bestritten wurden, alle begleitet am Flügel vom künstlerischen Leiter des Labels Opera Rara, Carlo Rizzi.

Besonders interessant erscheint mir das vom amerikanischen Allrounder BariTenor Michael Spyres interpretierte, über 80 Minuten lange Album mit 18 Nummern überwiegend in Französisch, nur das Berglied „Rings ruht die grüne Alpenhut“ gibt es auf Deutsch. Die Stücke stammen überwiegend aus den enddreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts (1838 bis 1845), also während Donizettis dreier Pariser Aufenthalte und sind also seinem Spätwerk zuzuordnen. Das zeichnet sich nicht zuletzt durch überraschende harmonische Wendungen aus. Viele der Kunstlieder sind kaum bekannt und werden mit ihren exquisiten Kantilenen Melomanenherzen mit Hang zum italienischen Belcanto garantiert höher schlagen lassen.

Außerdem interessiert natürlich, wie sich der mittlerweile als Wagnersänger u.a. in Bayreuth etablierte und mit Verpflichtungen bis zum Tristan an der MET immer weiter ins heldische Fach drängende Michael Spyres in diesem vor allem lyrischen Fach schlägt. Und man kommt aus dem Staunen nicht heraus: Spyres beweglicher und vom Stimmumfang her wohl inegalisierter Tenor öffnet hier sein unerschöpfliches Füllhorn an eleganter Phrasierung, traumhaften messa di voce und atemberaubenden Legatobögen. In Verbindung mit seinem Temperament kann Spyres wieder jenes untrügliche Gespür für Stimmfarben, subtil poetische Wortausdeutung, dynamische Feinzeichnung und bruchlos-kernige Stimmführung unter Beweis stellen, die ihn so berühmt gemacht haben.

In „Léger coursier, plus léger que le daim“ lässt Donizetti einen arabischen Reiter zu seiner schönen Sélima und zu Mama nach Hause galoppieren. Über einen Bolero-Rhythmus des Klaviers lässt Spyres die glückvolle Erzählung flott in vielen winzigen Verzierungen wie ein Film vor unseren Ohren ablaufen. Ganz im Gegensatz dazu steht die Begräbnis-Ode „Morte! Et pourtant hier“, wo ein betrübter Liebhaber in den atmosphärisch wandelnden Strophen den Tod seiner Geblieben beklagt. Ganz wunderbar, wie Spyres im Rondo von „Ah! Si tu voulais, toi que j’aime“ eine arme Spanierin anbaggert und ihr mit schelmischer Ironie verspricht, für sie Eltern und Freunde zu verlassen. Denn die Liebe sei halt eine andere Heimat.

„N’ayez pas peur, Madame, On vous a peint l’amour avec des ailes“ nach einem Gedicht von Paul Lacroix gehört so wie „Oh“ ne me chasse pas“ zu jenen Liedern, die nun überhaupt zum ersten Mal zu hören sind. Auch für dieses federleichte französische Couplet in drei Strophen mit Refrain findet Spyres den „richtigen verführerischen Klang“, Madame davon zu überzeugen, dass man sich vor der Liebe nicht fürchten muss. Nach einer zarten Romanze mit bellinischer Melodieführung („L’aube naît et ta porte est close“) kann Spyres bei der Konfrontation des vor seinen Gelübden stehenden Novizen mit dem teuflischen Gesellen als Kontrast zum Gebet einer puren Seele auch große Operntöne anschlagen.

Eine Rarität ist das Berglied „Rings ruht die grüne Alpenhut“ aus der Sammlung „Das singende Deutschland“, aus der noch zwei weitere Donizetti-Lieder stammen. Da werden Alpinluft, Senne, Alphorn und Wanderlust nach dem Aufwachen in der Hütte auf das fröhlichste besungen.

Weitere Canzone drehen sich, wie nicht unüblich, um einen von einer ungetreuen Geliebten Verlassenen bzw. das schwärmerische Sehnen nach einer geträumten Unbekannten. Einen besonderen Platz hat „Je ne me plaignais pas“, als es, vor „La fille du régiment“ entstanden, anfangsthematisch eine Vorlage für Marie’s ‚Il faut partir‘ am Ende des ersten Aktes der Oper bildete.  

Ungewöhnlich sind zudem die Lieder „Le Violone Crémone, cet instrument silencieux“ (Violine Eloisa-Fleur Thom) nach E.T.A. Hoffmanns trauriger Kurzgeschichte eines Vaters, der beim Anblick der Geige seine tote Tochter beklagt, sowie „Le Petit Joueur de harpe, Ô ma harpe, seul heritage“ (Harfe Sally Pryce), in dem ebenfalls ein Instrument im Zentrum einer menschlichen Tragödie steht. Das bewegende „Si tu m’as fait á ton image“ auf das letzte Gedicht des Sängers Adolphe Nourrit vor seinem Suizid kleidet Spyres in fahl-dunkle Töne.

Fazit: Spyres auch in Sachen Donizetti Weltspitze!

Titel des Albums:

  • Le Retour au désert “Léger coursier, plus léger que le daim”
  • Morte! et pourtant hier
  • Ah! si tu voulais, toi que j’aime
  • Ma Rose “Aimer ma Rose est le sort de ma vie”
  • N’ayez pas peur, Madame “On vous a peint l’amour”
  • Le crépuscule “L’aube naît et ta porte est close!”
  • La dernière Nuit d’un Novice “Demain quand sonnera l’heure”
  • Berglied “Rings ruht die grüne Alpenhut
  • Je te pardonne en t’oubliant “Adieu, tu brises et pour jamais”
  • Un Rêve de bonheur “Oh! j’ai rêvé d’une etrangere”
  • Je ne me plaignais pas
  • Oh! ne me chasse pas
  • Vous dont le cœur
  • Oui, ton Dieu c’est le mien “Connais sur mon âme asservie”
  • Le Violon de Crémone “Cet instrument silencieux”
  • Si tu m’as fait a ton image
  • Pourquoi me dire qu’il vous aime;
  • Petit Joueur de harpe „Ô ma harpe, seul héritage“

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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