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CD GABRIEL SCHWABE und HELLEN WEISS spielen Sonaten von ZOLTÁN KODÁLY und GYÖRGY LIGETI; Naxos

29.10.2020 | cd

CD GABRIEL SCHWABE und HELLEN WEISS spielen Sonaten von ZOLTÁN KODÁLY und GYÖRGY LIGETI; Naxos

Dieser Gabriel Schwabe hat Paprika im Blut. So viel an Temperament, expressiver Spontanität und Freude am großen sinnlichen Celloton würde klischeehaft eher von einem Künstler südöstlicher Sphären erwartet werden. Aber halt: Immerhin hat der in Berlin geborene Meistercellist deutsch-spanische Wurzeln. Á propos Familie: Als ebenbürtige Partnerin für das Duo für Violine und Cello von Kodály hat Schwabe seine Frau, die Geigerin Helen Weiß, engagiert. Den beiden schlafwandlerisch aufeinander eingespielten Musikern gelingt eine mustergültige, leidenschaftliche und atmosphärisch dichte Interpretation dieses wieder einmal auf den Prüfstein gestellten Klassikers der Moderne.

Dass, was Gabriel Schwabe auf seiner Guarneri (Cremona, 1695-97) aus der berühmten Sonate für Cello-Solo Op. 8 aus dem Jahr 1915 des ungarischen Komponisten Zoltán Kodály herausholt, ist schlichtweg spektakulär. Die Bandbreite des Ausdrucks, die Sonorität der unteren Register, das erzählerische Spektrum von melancholisch wehklagend bis jauchzend, die Eloquenz der Gestik und die mit vollem Ton gesungenen Phrasen erheben diese Aufnahme in einen absoluten Ausnahmerang. 

Das die CD eröffnende Duo für Violine und Cello Op. 7 (1914)  rekurriert nicht nur auf die Passion des deklarierten Volksliedsammlers Kodály, der seine Kammermusik ähnlich wie bei Bartók allerdings ihre besondere Faszination und Einzigartigkeit verdankt. Die Musik dampft vielmehr vor spätromantischer Emphase und emotionalen Kontrasten, dabei stützt sie sich formal auf klassische Traditionen. Die beiden Instrumente scheinen in ein tiefes Zwiegespräch versunken, launisch und von betörend schwärmerischer Lust an den behandelten Themen und deren spontanen Wechsel.  Schwabe und Weiss evozieren klingende Stimmungsbilder aus Ungarn, die das kraftvolle Aufbäumen des Individuums ebenso thematisieren wie Landschaft und die Zeitumstände der Entstehung. 

Dazwischen stellt Gabriel Schwabe die kurze Sonate für Cello solo von György Ligeti vor. Ligeti brauchte für die knapp acht Minuten Musik in zwei Sätzen ganze sechs Jahre. Dazu kommt noch, dass der zweite, 1953 für die Cellistin Vera Dénes fertig gestellte Satz vorerst nicht aufgeführt werden durfte, weil er dem kommunistisch gelenkten Komponistenverband zu modern war. Erst 1979 sollte die Uraufführung erfolgen. Dabei ist das Werk stilistisch sogar eher unzeitgemäß romantisch im Sinne einer aus dem 19. Jahrhundert winkenden national grundierten Strömung. Schwabes Engagement ist deshalb so wichtig, weil er die Bezüge des jungen Ligeti in seinen studentischen Anfängen (1. Satz) zum volkstümlichen Einfluss Kodálys offenlegt. 

Ein ebenso schönes wie musikalisch beglückendes Album.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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