CD FREDERIC MOMPOU „MÚSICA CALLADA“ – Zyklus für Klavier solo mit LILIT GRIGORYAN; Orchid Classics
„Die ruhige Nacht vor Anbruch der Morgenröte, die Musik der Stille, die klingende Einsamkeit, das Mahl, das erquickt und die Liebe erweckt.“ Johannes vom Kreuz
Diese „Schweigende Musik“ in vier, zwischen 1959 und 1967 entstandenen Heften des katalanischen Komponisten Frederic Mompou leitet sich stilistisch anfangs vom französischen Impressionismus, später aber verstärkt von Einflüssen der Zweiten Wiener Schule ab. In einer ganz persönlichen, im Grunde von Debussy, Ravel und de Falla abgeleiteten Tonsprache hat Mompou basierend auf den Gedanken des spanischen Mystikers Johannes vom Kreuz (1542-1591) Klavier-Miniaturen zu kohärenten Zyklen geformt.
Mompou, dessen Eltern Glockengießer waren, war zwar nicht sonderlich religiös, aber doch sehr von der Wirkung der Glocken beeinflusst. So startet auch Heft drei mit einem läutenden Glockenspiel im Sinne „einer expressionistischen, harmonisch reichen Traumlandschaft.“ Wie Joanna Wyld zutreffend bemerkt, erinnert Mompous Verwendung „von zarten Farbverläufen und fragilen Klaviertexturen an Satie, jedoch mit einem spontaneren Tempo und einem geheimnisvollen Ton.“
Die Klammer zur Vielfalt der Kompositionen und ihrer Stimmungen, wo so manches andeutend in der Schwebe bleibt, beschreibt Mompou selbst so: „Diese Musik hat weder Luft noch Licht. Sie ist ein schwacher Herzschlag. Sie ist nicht dazu bestimmt, weiter als ein paar Millimeter im Raum zu reichen, aber sie ist dazu bestimmt, in die tiefsten Tiefen unserer Seele und in die geheimsten Regionen unseres Geistes einzudringen.“
Die armenische Pianistin Lilit Grigoryan, die derzeit in Rostock unterrichtet, ist eine Schülerin von Pires. Schon ihr exzellentes Album „Variations sérieuses“ hat mich begeistert, wie in meiner Besprechung für den Online Merker vom 11.11.2018 nachzulesen ist: https://onlinemerker.com/cd-variations-serieuses-lilit-grigoryan-spielt-musik-von-bach-arr-busoni-beethoven-mendelssohn-bizet-und-szymanowski-orchid-classics/
Ihr neues Album geht noch einen Schritt weiter und ist pianistisch schlichtweg einzigartig. Grigoryan legt Augenmerk auf die unverändert gültige Modernität der Stücke. Ihr klarer Ton legt die Strukturen offen und lässt einen Blick in das feine Räderwerk des Komponisten zu. Meditativ verinnerlicht und dennoch emotional durchaus expressiv gelingt Grigoryan der Spagat zwischen Klavier und spirituellem Anspruch, programmatischen Hinweisen und absoluter musikalischer Textur. Wunderbar kontemplativ und passend für die Adventszeit!
Dr. Ingobert Waltenberger