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CD: Franz Xaver Richter: Symphonies op. 2 – Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim, Johannes Moesus

13.04.2022 | cd

CD: Franz Xaver Richter: Symphonies op. 2 – Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim, Johannes Moesus

Franz Xaver Richter, Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim, Johannes  Moesus – Symphonies Op. 2 (2022, CD) - Discogs

Sechs Sinfonien eines mährischen Meisters

Franz Xaver Richter gilt Vielen auf Grund seines Eintrags in der «Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften» (Gustav Schilling, 1837) neben Johann Stamitz als Gründervater der Mannheimer Schule und der berühmten Hofkapelle des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz. Ein Blick auf seine Mannheimer Jahre zeigt aber, dass seine Bedeutung überschätzt werden dürfte.

Franz Xaver Richter wurde am 1. Dezember 1709 vermutlich im mährischen Holleschau (heute:  Holešov) geboren. Von 1722 bis 1727 besuchte er das Seminar Jesuiten in Ungarisch Hradisch (heute: Uherské Hradište) und wurde dort wahrscheinlich auch musikalisch gebildet. Dann klafft in seiner Biographie eine grössere Lücke und er ist erst wieder 1736 als Sänger (Bass) der Stuttgarter Hofkapelle belegt. 1737 wurde er Musikdirektor der kurzlebigen benediktinischen Ritterakademie in Ettal (1711-1744, Bildungsanstalt für die Söhne adeliger Familien; 1905 als Benediktinergymnasium Ettal wiederbegründet). Von 1740 bis längstens 1747 stand er in Diensten des Fürstabtes Anselm von Reichlin-Meldegg in Kempten (Fürststift Kempten). Nach einem kurzen Gastspiel am Hof der Markgrafen von Baden-Baden in Rastatt trat er zum Jahresende 1747 als Sänger in die Hofkapelle des pfälzischen Kurfürsten Carl Theodor ein. Dem ehrenvollen Auftrag das Karfreitags-Oratorium für das Jahr 1748 zu komponieren («La deposizione dalla croce di Gesu Cristo») folgten weder weitere Aufträge noch die obligate Beförderung. Richter war verhältnismässig häufig unterwegs und veröffentlichte seine Kompositionen in den europäischen Musikverlagszentren Paris, London und Amsterdam, um sein Einkommen zu verbessern, aber Prestige des Komponisten und des häufig im Titel genannten Dienstherrn zu mehren. Da es zu dieser Zeit üblich war, dass die Verleger, die bei ihnen erschienen Werke eines Komponisten durchnummerierten, handelt es sich bei den 1759 erschienenen Sammlung Six Simphonies Op. 2 nicht um ein Frühwerk, sondern den zweiten Druck von Werken Richters bei Johann Julius Hummel in Amsterdam. Die Veröffentlichung fällt in einen Zeitraum, wo für Richter Karriereschritte in Mannheim möglich gewesen wären, da 1757 Johann Stamitz gestorben und in den folgenden Jahren einige leitende Positionen in der kurpfälzischen Hofmusik neu geschaffen oder neu vergeben wurden. Aber auch hier konnte Richter nicht reüssieren, so dass er vermehrt nach anderen Stellungen umsah und 1769 dem Ruf als Kapellmeister an das Strassburger Münster folgte. In den letzten Jahren seines Lebens war Joseph Haydns berühmtester Schüler Ignaz Pleyel sein Stellvertreter als Kapellmeister. Am 12. September 1789 starb Richter in der elsässischen Metropole.

Alle sechs Sinfonien der Sammlung sind dreisätzig nach dem Schema Allegro – Andantino (Andante) – Presto (Vivace) und folgen damit dem Muster der Opern-Sinfonia. Zur Besetzung gehören Streicher Hörnern und Oboen, die im Titel als ad libitum bezeichnet sind. Ihr Mitwirken ist also nicht zwingend, bereichert aber natürlich (so auch in der vorliegenden Einspielung) den Klang. Richter scheint auch mit diesen Sinfonien nicht den Geschmack des Hofes getroffen zu haben. Das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim unter musikalischer Leitung von Johannes Moesus musiziert die Sinfonien klangfreudig mit viel Brio.

Ein interessante Verbindung barocker und empfindsamer Elemente.

12.04.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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