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CD FRANZ SCHUBERT: WINTERREISE – XAVIER SABATA Countertenor; Berlin Classics

Dieser Versuch begeistert nicht

10.12.2019 | cd

CD FRANZ SCHUBERT: WINTERREISE – XAVIER SABATA Countertenor; Berlin Classics

Dieser Versuch begeistert nicht

Sicher hat der katalanische Countertenor Recht, wenn er meint, warum die Interpreten der Winterreise auf eine bestimmte Stimmlage, Geschlecht oder Alter beschränkt sein sollen. Müssen sie nicht. Jede/r, auch nicht ausgebildete Sangesfreudige dürfen die Winterreise singen. Aber muss immer ein Mikro dabei sein, wenn jemand etwas Künstlerisches aus berechtigter Überzeugung und wohl auch subjektiver Begeisterung macht? Und vielleicht das (breite) Publikum bei einem so großen Standardwerk der romantischer Liedliteratur wie die “Winterreise“ das ist, und dem Anspruch genereller Gültigkeit nicht so erreicht, wie andere dies vermögen? Xavier Sabata, ist im Übrigen nicht der erste Countertenor, der Schubert auf Platte singt. Zvi Emanuel-Marial hat 2014 die erste Einspielung der Winterreise eines männlichen Alto beim Label Thorofon vorgelegt. Jochen Kowalski hat den Zyklus einmal in Bad Kissingen ausprobiert. Es soll dabei wild zugegangen sein im Saal.

Es ist ja keine gewagte These zu behaupten, dass das große romantische Fach für Countertenöre wenig Raum bietet und in ihnen in der Regel daher von Veranstaltern und Impresarios auch nicht angeboten wird. Trotz weniger erfolgreicher Ausnahmen (Jaroussky mit seinem Album „Opium“) sind solche neugierigen Erkundungen stets Nische und Rand geblieben.

Dafür gibt es triftige technische Gründe, die auf alle Counters zutreffen, natürlich auch auf die vom Volumen her ohnedies klein kalibrierte und unruhig flackernde Stimme des Xavier Sabata (zuletzt live gehört in der Staatsoper Unter den Linden als Ottone in Monteverdis „Il Coronzione di Poppea“). Die meisten Countertenören verfügen im Vergleich zu klassischen Stimmen nicht nur über weniger Volumen, sondern sind auch in dynamischer Hinsicht, in der Expansionsfähigkeit der Stimme (Forte Fortissimo) limitiert. Das tut ihren ureigenen Atouts bei barocker und moderner Musik überhaupt keinen Abbruch. Um klar zu sein: Ich liebe dieses vielseitige Stimmfach mit den unterschiedlichen Stimmlagen und Charakteristika sehr.

Was jedoch die expressive Ausdruckspalette romantischer Vokalkunst in extremis anlangt, also die Bandbreite zwischen feinstem Piano und erregtestem Fortissimo, da schlägt die Stunde der lyrisch bis dramatischen Sopranistinnen, Mezzos, Bässe, Baritone und Tenore. Sorry, aber im Vergleich zu Hotter, Dieskau, Ludwig oder Fassbaender klingt Sabata klangfarblich eindimensional, zu larmoyant und auf ein mittleres Lautstärkenfeld beschränkt, und damit auf Dauer eintönig. Obwohl Xavier Sabata von Phrasierung und musikantischer Ehrlichkeit her Kultiviertes anzubieten vermag, fehlen den dramatischen Liedern („Die Wetterfahne“, „Der stürmische Morgen“, „Muth!“) Aplomb, Kraft als auch jene üppige Farbenpalette und das nötige Volumen, was alles zusammen genommen den Zuhörer nicht nur musikalisch, sondern auch emotional bis ins Tiefste erschüttern kann. Die disparaten inneren Konflikte und existenziellen Gefühle bleiben so auf der Strecke.

Francisco Poyato am Klavier assistiert gediegen. Das Album insgesamt lässt mich seltsam unberührt.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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