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CD FRANZ SCHUBERT: Symphonien Nr. 3 und 7, MÜNCHNER SYMPHONIKER, Kevin John Edusei; Solo Musica

04.08.2020 | cd

CD FRANZ SCHUBERT: Symphonien Nr. 3 und 7, MÜNCHNER SYMPHONIKER, Kevin John Edusei; Solo Musica

Ein neuer Schubert-Zyklus mit den Münchner Symphonikern ist im Werden. Nach den Symphonien Nr. 4&8 sowie 5&6 ist nunmehr die Paarung 3&7 dran.

Kevin John Edusei, seit 2014 Chefdirigent der Münchner Symphoniker, hatte bis 2019 ein buntes Opern- und Ballettrepertoire am Konzert Theater Bern dirigiert. Diese Vielseitigkeit, das Feeling für tänzerische Leichtigkeit  und instrumentale Farben sind zweifelsohne ein Plus für die Lebendigkeit, das elastische Fließen und die klangliche Feinmechanik seiner Schubert-Interpretation.

Ja, es gibt sie noch, die minutiös geprobten Studio-Aufnahmen frühromantischen Repertoires auf modernen Instrumenten. In Zeiten der nur teilweise Corona-bedingten „Minimundusierung“ klassischer Musik stellt dies einen notwendigen Ausgleich für ziemlich gleichgeschaltete Interpretationsmoden dar. 

Die Münchner Symphoniker weisen eine größere Streicherbesetzung auf als das im Hatwigschen Laien-Orchester der Fall war. Schubert hatte in seinen jungen Jahren in diesem Orchester die Bratsche gespielt. Statt sieben ersten und sechs zweiten Violinen, je drei Bratschen und Celli sowie zwei Kontrabässen sorgen zum Ausgleich für die größere Durchschlagskraft moderner Blasinstrumente 10 erste und acht zweite Violinen, sechs Bratschen, fünf Celli und vier Kontrabässe für die angestrebte Balance in den Orchesterstimmen.

Mit der Wahl der Dritten in D-Dur und Siebten in E-Dur will Edusei den „vergnügd lärmenden Thatendrang, der sich regt und bewegt, ohne sich noch um Ziel und Erfolg Großes zu kümmern“ (Zitat Hanslick), also die frühe Experimentalkraft des 17-jährigen Schubert vorführen und sie mit der unvollendeten späteren Sinfonie in Bezug setzen, die eine Brücke von der unbeschwerten Sechsten zu Schuberts Spätwerk schlägt. „Zwei Aufbrüche verschiedener Art – und zu zwei verschiedenen Ufern.“

Die Siebte, bei der zwei Drittel der Partitur fragmentarisch nur aus einer einzelnen Stimme besteht (nur für 110 Takte gibt es eine originäre Orchesterfassung), hat der britische Schubert-Forscher Brian Newbould Anfang der Achziger Jahre komplettiert. Diese „sachliche“ Fassung liegt auch der vorliegenden Einspielung zugrunde. Brian Newbould notierte dazu in seiner Publikation „Schubert and the Symphony“, S 178: “Für Generationen an Schubert-Liebhabern hat ihre Begeisterung mit der Unvollendeten und der Großen C-Dur Symphonie begonnen, um dann Schuberts Siebte kennenzulernen. Es stellt sich die Frage, wie Schubert den tiefgreifenden stilistischen Wandel von der vier Jahre zuvor entstandenen Symphonie Nr. 6 hin zur Achten vollbracht hat. Die Symphonie Nr. 7 in E-Dur liefert ein faszinierendes Bindeglied, das einerseits die mittlere Periode Schuberts reflektiert, das (insbesondere in den Themen) Schuberts aktuelles Interesse an Rossini bekundet, und andererseits … in seinen Übergängen – mehr noch als in seinen Themen – zahlreiche Facetten der Klangwelt der kurz darauffolgenden Meisterwerke des gereiften Symphonikers vorwegnimmt.“

Dieses Album vertraut auf Schuberts lyrisch melodische Eingebungen. Edusei gelingen dementsprechend die langsamen Sätze am besten. Der musikalische Fluss zieht hier in aller Ruhe seine sanften Kurven. Leider ist das Klangbild allzu topfig, was vor allem den Streicherklang breiig klingen lässt. Wie das mit einer besseren Tiefenstaffelung und einer höheren klanglichen Transaperenz funktionieren kann, führen die Berliner Philharmoniker in ihren Live-Mitschnitten der Schubert Symphonien unter der kantigen musikalischen Leitung von Nikolaus Harnoncourt vor. Der steirische Maestro konnte mit Biss die Akzente in der Dritten setzen und agiert als wissender Regisseur minutiös ziselierter Temporückungen. Edusei bleibt mir im Vergleich zu Harnoncourt rhythmisch allzu im Ungefähren. Oder zeigen sich hier einfach die Grenzen des Orchesters? Schön gelingen hingegen die Flöten- und anderen Holzbläsersoli.  

Edusei bietet einen leichten, schwebenden volkstümlichen Schubert. Harnoncourt lässt mit dramatischem Zugriff keinen Zweifel daran, dass Beethoven das große musikhistorische Modell war. 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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