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CD: Franz Schubert Sinfonie Nr. 8 D 944 – „Große C-Dur Sinfonie“ Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Leonard Bernstein, Dirigent Live-Mitschnitt: München, Kongreßsaal des Deutschen Museums- BR-Klassik, 900 229

01.11.2024 | cd

CD: Franz Schubert Sinfonie Nr. 8 D 944 – „Große C-Dur Sinfonie“. Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Leonard Bernstein, Dirigent. Live-Mitschnitt: München, Kongreßsaal des Deutschen Museums, 13.-14.06.1987. BR-Klassik, 900 229

Leonard Bernstein und die Magie von Schuberts „Großer“

Eine unvergessliche Symbiose mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

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Die vorliegende Doppel-CD von BR-KLASSIK ist ein eindrucksvolles Zeugnis der einzigartigen Partnerschaft zwischen Leonard Bernstein und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Sie vereint die Live-Aufnahme von Franz Schuberts Sinfonie Nr. 8, D 944 – bekannt als „Die Große C-Dur-Sinfonie“ – mit einem besonderen Probenmitschnitt, der Bernsteins unvergleichliches Charisma und seinen leidenschaftlichen Zugang zur Musik eindrucksvoll dokumentiert.

Seit den 1980er-Jahren war Leonard Bernstein regelmäßig Gast in München und entwickelte eine tiefe künstlerische Verbindung zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO). Die Zusammenarbeit fand ihren Anfang im Oktober 1976, als Bernstein ein Beethoven-Programm dirigierte, und setzte sich ab 1983 mit jährlichen Konzerten fort. Die hier präsentierte Aufnahme stammt aus dem Jahr 1987 und zeigt einen Bernstein in Höchstform, der das BRSO zu einer kongenialen Interpretation von Schuberts „Großer“ C-Dur-Sinfonie anleitet.

Franz Schubert komponierte dieses Werk im Sommer 1825, und obwohl es chronologisch seine achte Sinfonie ist, wird sie oft als neunte bezeichnet. Das Werk gilt als eines der bedeutendsten der Romantik und spiegelt Schuberts Bestreben wider, mit dem älteren Beethoven zu konkurrieren. Schumanns berühmtes Zitat von der „himmlischen Länge“ charakterisiert diese Komposition treffend: Sie erstreckt sich über ausgedehnte musikalische Bögen, die den Zuhörer in eine Sphäre jenseits des Alltäglichen entführen.

Der Auftakt der Sinfonie ist von Bernsteins charakteristischer Dringlichkeit geprägt. Mit einem straffen Tempo im Allegro-Abschnitt erzeugt er eine fast tänzerische Leichtigkeit, die dennoch von einer unterliegenden Intensität begleitet wird. Das Orchester folgt ihm mit technischer Brillanz, und die Blechbläser, die für Schubert so charakteristisch sind, setzen kraftvolle Akzente, ohne jemals ins Schrille abzugleiten. Bernstein gelingt es, die große Dimension dieses Satzes in eine spannungsgeladene Dynamik zu kleiden, die den Zuhörer unweigerlich fesselt.

Hier entfaltet sich Bernsteins wahre Meisterschaft. Der zweite Satz wird von ihm in einem nahezu lyrischen Fluss präsentiert, der die „glückselige Leidenschaft“ (Schumann) dieses Andante-con-moto-Satzes auf den Punkt bringt. Bernstein lässt jede Phrase atmen und schafft eine Atmosphäre von tiefer Melancholie, ohne in Sentimentalität zu verfallen. Die Streicher des BRSO zaubern einen warmen, volltönenden Klang, der das Fundament für die fein abgestuften Holzbläserlinien legt. Besonders bemerkenswert ist, wie Bernstein den inneren Puls des Satzes aufrechterhält, während er die Intensität behutsam steigert.

Im Scherzo zeigt Bernstein seine Lust am Spiel mit rhythmischen Strukturen. Hier vereinen sich Schuberts volksmusikalische Wurzeln mit einem orchestralen Glanz, den Bernstein in vollem Umfang zur Geltung bringt. Das BRSO antwortet auf seine dirigentische Energie mit federnder Leichtigkeit und schafft es, die überschäumende Vitalität dieses Satzes in perfekter Balance zu halten. Es ist ein Moment, in dem das Orchester und der Dirigent vollkommen verschmelzen und den Zuhörer in eine ausgelassene, fast tänzerische Stimmung versetzen.

Der abschließende Satz ist ein wahres Feuerwerk der rhythmischen Energie. Bernstein bringt die strukturellen Raffinessen dieses Satzes meisterhaft zur Geltung und treibt das Orchester zu einer unbändigen Kraft. Die rhythmische Präzision des BRSO unter seiner Leitung ist beeindruckend, und doch bleibt Raum für musikalische Flexibilität. Der Schlusssatz strahlt eine ungestüme Vitalität aus, die durch Bernsteins leidenschaftliches Dirigat regelrecht entfesselt wird. In diesen finalen Momenten erreicht die Symphonie ihren Höhepunkt, ein Monument der orchestralen Klangfülle, das mit donnernden Akzenten endet.

Leonard Bernstein und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks waren ein perfektes künstlerisches Paar. Bernstein, der weltweit für seine tiefgründigen, emotionalen Interpretationen geschätzt wurde, fand im BRSO einen Klangkörper, der seine musikalischen Visionen mühelos umsetzte. Die Präzision, die Wärme und der Farbenreichtum, den dieses Orchester zu entfalten vermag, machen diese Aufnahme zu einem besonderen Erlebnis. Unter Bernsteins Leitung wird die Sinfonie zu einem lebendigen, pulsierenden Organismus, der die gesamte emotionale Bandbreite von Schuberts Musik auslotet.

Die zweite CD dieses Albums ist ein wahrer Leckerbissen für Musikliebhaber und zeigt Bernstein bei der Probe mit dem BRSO. Der Mitschnitt, der in deutscher Sprache erfolgt, dokumentiert Bernsteins humorvollen und herzlichen Umgang mit dem Orchester. Besonders auffällig ist sein bemerkenswert gutes Deutsch, das er mit einem liebenswerten amerikanischen Akzent spricht. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören, wie er seine Anweisungen und Interpretationen klar und präzise formuliert, dabei aber stets die menschliche Wärme und seinen Respekt gegenüber den Musikern wahrt. Diese Probenaufnahme ist nicht nur eine Lehrstunde in Dirigierkunst, sondern auch ein tief berührender Einblick in Bernsteins künstlerische Welt.

Diese Doppel-CD ist mehr als nur eine herausragende Aufnahme von Schuberts „Großer“ C-Dur-Sinfonie – sie ist ein kostbares Zeugnis für die besondere Verbindung zwischen Leonard Bernstein und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Bernsteins leidenschaftliche Interpretation, gepaart mit der technischen Perfektion des Orchesters, macht diese Aufnahme zu einem Muss für jeden Liebhaber klassischer Musik. Die zusätzliche Proben-CD bietet einen faszinierenden Blick hinter die Kulissen und ergänzt das musikalische Erlebnis auf wunderbare Weise.

Dirk Schauß, im Oktober 2024

 

Franz Schubert

Sinfonie Nr. 8 D 944 – „Große C-Dur Sinfonie“

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Leonard Bernstein, Dirigent

Live-Mitschnitt: München, Kongreßsaal des Deutschen Museums,

13.-14.06.1987

CD2: „Dirigenten bei der Probe“ – Leonard Bernstein probt mit dem BRSO in Deutscher Sprache

BR-Klassik, 900 229

 

 

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