CD FRANZ SCHUBERT – ELENA BASHKIROVA und MIHAELA MARTIN spielen die Sonatinen Nr. 1-3 sowie das „Rondo brillant“ für Klavier und Violine; CAvi-music
Die drei Sonaten, die der 19-jährige Schubert – damals noch im Schuldienst bei seinem Vater- in einer ungemein fruchtbaren, aber dennoch von Enttäuschungen geprägten Schaffensphase 1816 zu Papier brachte, waren seine ersten Kammermusikkompositionen mit Violine. Der Grund der Entstehung dieser hausmusikalisch konzipierten, jedoch musikalisch reichhaltigen und von der harmonischen Faktur her anspruchsvollen Werke liegt im Dunklen. Mögen es die Sehnsucht nach Anerkennung oder nur ein weiteres (zyklisches) Statement als zunehmend selbstbewusster Komponist gewesen sein, wir wissen es nicht. Zwei Zitate der ausführenden Künstlerinnen mögen mehr Aufschluss über den Charakter der klassizistischen, formal eher an Haydn oder Mozart (den er auch zitiert), denn an Beethoven orientierten „Sonatinen“ geben.
Mihaela Martin: „Die Sonatinen sind völlig verschieden in ihren Grundfarben. Sie enthalten eine große Palette von Schattierungen menschlicher Gefühle. Und Schubert war sehr schonungslos in seinem Ausdruck von Schwermut, Leiden und Schmerz.“ Elelena Bashkkirova: „Wobei die Traurigkeit bei Schubert immer auch ein Lächeln enthält und jedes Lächeln eine gewisse Traurigkeit. Das ist in diesen Sonatinen hörbar. …Jede Note und jede Pause hat ihre Bedeutung, und das breite Spektrum an Farben, Klängen, dynamischen Nuancen in diesen Werken verlangt große Konzentration.“
Publiziert wurden sie erst posthum, und zwar im Jahr 1836 unter der irreführenden Bezeichnung Sonatinen. Bruder Ferdinand hatte sie im Nachlass gefunden und an den Verleger Diabelli verkauft. Ein gutes Geschäft, denn die Stücke gehören zu den ganz großen Hits an Violinliteratur für junge Musiker.
Martin und Bashkirova vermögen es, die drei sich durch eine überbordende Melodik und Vitalität auszeichnenden Preziosen, zu denen sich noch das späte „Rondo brillant“ für Klavier und Violine in h-Moll D 895 gesellt, in all der jugendlich, in lyrischem Überschwang sich verausgabenden Gestik als gleich berechtigte Partnerinnen zu gestalten. Bei der wohl ausgefeiltesten Sonatine in g-Moll lassen sich im Vergleich zu meiner persönlichen Referenzaufnahme aus dem Jahr 1991 mit Gidon Kremer und Oleg Maisenberg beachtliche Zeitunterschiede ausmachen. Da geht es das Duo Martin/Bashkirova mit 18,8 versus 22,36 Minuten flotter an. Dennoch hat, was Binnenspannung, Farbgebung (Violine) und Kontraste angeht, das Duo Kremer/Maisenberg eindeutig die Nase vorne. Bashkirova gefällt mit einem sensibel die Textur der Musik auslotenden Ansatz, während Martin mit ihrem beinahe vibratolosen Spiel eintöniger und pauschaler bleibt.
Fazit: Achtbar, aber nicht mehr.
Dr. Ingobert Waltenberger