Franz Schmidt in neuem Glanz: Die Sinfonien und selteneren Werke in einer Box von Naxos
Naxos präsentiert mit der Veröffentlichung einer Box die Sinfonien von Franz Schmidt und seine weniger bekannten Werke, darunter die beeindruckende Chaconne. Diese Zusammenstellung erlaubt einen tiefen Einblick in das Schaffen eines Komponisten, dessen Musik oft im Schatten seiner berühmteren Zeitgenossen steht, aber dennoch eine eigenständige, fesselnde Klangsprache besitzt.
Franz Schmidt (1874–1939) war ein österreichischer Komponist, Dirigent und Pianist, der in der späten Romantik verwurzelt ist. Seine Musik vereint Einflüsse von Brahms, Bruckner und Wagner, durchdrungen von einer persönlichen Stimme, die sich in melodischen und harmonischen Strukturen ausdrückt. Schmidt war ein Meister darin, Emotionalität mit formaler Klarheit zu verbinden. Er hinterließ ein bedeutendes Werk, das nicht nur seine vier Sinfonien umfasst, sondern auch Opern, Kammermusik und Klavierstücke. Diese Box bietet eine hervorragende Gelegenheit, Schmidts musikalische Welt in ihrer Gesamtheit zu entdecken.
Die erste Sinfonie, komponiert 1899, ist zwar die schwächste seiner vier Sinfonien, doch sie zeigt bereits die charakteristischen Merkmale von Schmidts Stil. Ihre vier Sätze dauern etwa 45 Minuten und sind gespickt mit attraktiven Melodien und kontrapunktischem Interesse. Trotz der Anklänge an Brahms und Wagner sticht Schmidts eigene Stimme hervor. Die großartigen Auszüge aus seiner Oper „Notre Dame“ (1902–1904) ergänzen die Sinfonie und verdeutlichen die lyrische kantable Seite seiner Musikalität. Der Dirigent Vassily Sinaisky und das Malmö Symphony Orchestra zeigen hier eine tiefgründige, einfühlsame Interpretation.
Die zweite Sinfonie (1911–1913) ist ein weiteres Beispiel für Schmidts komplexe musikalische Sprache. Sie erfordert ein großes, geradezu riesenhaftes Orchester und entfaltet sich in transparenten, oft nicht bombastischen Klängen. Der Eröffnungssatz ist von bemerkenswerter Ideenfülle geprägt, was Sinaiskys hervorragende Darbietung eindrucksvoll unter Beweis stellt. Die „Fuga Solemnis“ für Orgel und Blechbläser, eine Kuriosität aus dem Jahr 1937, wurde in eine Kantate umgewandelt und war seitdem selten zu hören. Diese Werke zeigen, wie Schmidt es verstand, große Formen mit starker Gefühlsintensität zu verbinden und den Hörer mit überraschenden harmonischen Wendungen zu fesseln.
Die dritte Sinfonie (1927/28) ist ein seltsames Werk, das charmant und melodisch ist, aber auch eine sanfte chromatische Dissonanz aufweist. Es ist ein eindrucksvolles Beispiel für Schmidts Fähigkeit, symphonische Spannungen zu entwickeln und aufzulösen. Sinaiskys Respekt für die Partitur wird in der sorgfältigen Ausführung der Musiker deutlich, die den feinen Nuancen des Werks gerecht werden.
Im Gegensatz dazu steht die Chaconne, die als architektonisch kraftvolles Stück gilt und mit ihrer melodischen Dichte und emotionalen Intensität begeistert. Sinaisky versteht es, das Werk bis zu seinem epischen Höhepunkt auf beeindruckende Weise aufzubauen, was dem Hörer ein mitreißendes Erlebnis beschert.
Die vierte Sinfonie, Schmidts emotionales Meisterwerk und sein persönliches „Requiem“ für seine verstorbene Tochter, stellt den Höhepunkt dieser Box dar. Die anspruchsvolle Partitur erfordert sowohl technisches Können als auch tiefes emotionales Verständnis von den Musikern. Sinaiskys Interpretation ist durchdacht und sensibel, ohne ins Sentimentale abzugleiten. Die „Husarenlied-Variationen“, die mit dieser Sinfonie gekoppelt sind, bieten eine gelungene Ergänzung, da sie ähnliche harmonische Strukturen aufweisen und das Orchester herausfordern.
Das Malmö Symphony Orchestra präsentiert sich in dieser Box als souveräner Gestalter für die Werke von Franz Schmidt. Ihre musikalische Versiertheit und ihr feiner Zusammenklang ermöglichen es, die facettenreiche Textur der Partituren lebendig werden zu lassen. Die Musiker beweisen ein hohes Maß an Präzision und Empathie, während sie den emotionalen Gehalt der Musik vollständig erfassen. Dies wird besonders deutlich in den dynamischen Wechseln und den nuancierten Phrasierungen, die Schmidt so sehr schätzte. Unter der Leitung von Vassily Sinaisky ist das Orchester in der Lage, die Balance zwischen kraftvollen Passagen und zarten Momenten zu halten, was den Interpretationen ein breites Ausdrucksspektrum verleiht.
Die Wiederveröffentlichung der Sinfonien von Franz Schmidt und seiner selteneren Werke durch Naxos in dieser Box ist ein bedeutendes Ereignis für Liebhaber der klassischen Musik. Diese Sammlung bietet nicht nur eine wertvolle Ergänzung zur Diskografie von Schmidt, sondern auch eine Einladung, in die besondere Klangwelt seiner Musik einzutauchen. Wer Schmidts bedeutendste Werke kennenlernen möchte, findet in dieser Box eine hervorragende Möglichkeit, sein musikalisches Erbe zu würdigen.
Dirk Schauß, im Oktober 2024
Franz Schmidt
Complete Symphonies
Malmö Symphony Orchestra
Vassily Sinaisky, musikalische Leitung
NAXOS, 8.504059