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CD FRANZ LISZT: SARDANAPALO – Uraufführung eines Opernfragments – Staatskapelle Weimar, Kirill Karabits; AUDITE

05.02.2019 | cd

CD FRANZ LISZT: SARDANAPALO – Uraufführung eines Opernfragments – Staatskapelle Weimar, Kirill Karabits; AUDITE

 

Liszt als Opernkomponist ist ja so eine Sache. Auf jeden Fall hegte Liszt – was den Output anlangt – eine unerwiderte Liebe zur Gattung Oper. Der kühne Klaviervirtuose hat sich mit etlichen Stoffen intensiv in der Absicht auseinandergesetzt, sie einmal als Oper zu verwerten: Etwa mit „Le Corsaire“ (Lord Byron), „Spartacus“ (Oscar Wolff), „Semele“ (Schiller) oder „Marguerite“ (Goethe). Diese Projekte sind im Sand verlaufen. 

Bei diesemStoff ist es mehr geworden als schöne Absicht und Träumerei: Gerade einmal 111 Seiten umfasst das von Liszt im Skizzenbuch N4 hinterlassene Manuskript zum ersten Akt des „Sardanapalo“, das ergibt ca. 45 Minuten Musik. Dann gab er auf. Das zeugt von keiner großen Zielstrebigkeit, wenn ein Vergleich mit anderen Komponisten italienischer Musikdramen der Zeit bemüht werden soll.  Oder anders gesagt, das Ergebnis ist in etwa so, wie  wenn Delacroix nur ein Drittel seiner bildmächtigen Todesvision des “Sardanapalo” fertig gekriegt hätte. 

 Die literarische Vorlage zu der in Plüsch gepackten Polit-Liebesgeschichte bildet nämlich Lord Byrons fünfaktige Tragödie „Sardanapalus“ über den eher in den Freuden sinnlichen Lebens denn im Schlachtfeld reüssierenden König des Assyrischen Reichs. Mit Krieg und schwitzenden Soldaten hatte es unser Opernheld nicht so, dafür widmete er mehr Zeit und Aufmerksamkeit seinem Harem, und hier wiederum der griechischen Sklavin Mirra. Die junge Frau ist allerdings unglücklich, weil sie der Heimat Ionien fern ist. Als dritte Person des Operntorsos tritt der chaldäische Wahrsager Beleso auf. Er rät zu Krieg, der König lässt sich widerwillig breit schlagen, die Truppen setzen sich zu einem Orchestermarsch in Bewegung. Aus, Schluss. 170 Jahre hat es gedauert, bis die Musik editiert und in Weimar im August 2018 uraufgeführt wurde. 

 

Die Musik ist in Form eines Klavierauszugs erhalten. Liszts Schüler und Assistent Joachim Raff sollte die Orchestrierung übernehmen. Über Skizzen kam es aber nie hinaus. Die Komplettierung der Partitur ist dem Musikologen David Trippett zu verdanken. Die offenen Figurationen in der Begleitung holte er sich aus der Schatztruhe der italienischen Belcanto-Schule. Es gelang Trippett, die Musik auf Basis von Liszts eigenen Hinweisen zu orchestrieren, orientiert an seinen Sinfonischen Dichtungen und den Opernpartituren, die Liszt in den frühen 1850-er Jahren studiert hatte. Wer mehr darüber wissen will, kann eine informative Videodokumentation der Cambridge University zur Rekonstruktion bei Youtube ansehen. Link: https://www.youtube.com/watch?v=-Iq5CMNrHNU

 

Verdi, Bellini, Berlioz, Meyerbeer und Wagner standen an Liszts Opernwiege. Die effektvolle und gekonnt gestrickte Musik zu “Sardanapalo” ist ein wildes Aneignungs-Amalgam und steht ganz in der Nachfolge der Operntraditionen Mitte des 19. Jahrhunderts. Extrem traurig bin ich nicht darüber, dass Liszt seine Opernambitionen final aufgab. Eine vermutete Begründung seines Scheiterns mit “Sardanapalo” war, dass der anonyme (!) Librettist die Akte zwei und drei nicht geliefert haben soll.  Auch Wagner konnte Liszt nicht von seinem musikdramatischen Schaffenspotential überzeugen. „Nun aber zeige uns volends den ganzen löwen!“ Ich glaube eher, dass Liszt das ganze Opern-Unterfangen arg geplagt hat und er sich die Mühe nicht weiter antun wollte. Die Schwächen der handwerklich geschickt montierten Partitur zu “Sardanapalo” offenbaren sich erst im direkten Vergleich zu Liszts visionärem Klavierschaffen. 

 

Wir heben jedenfalls den mutigen Musikern in Weimar zu danken, dass sie sich des exotischen Opernaktes angenommen haben. Kirill Karabits leitet eine in allen Gruppen großartig disponierte Staatskapelle Weimar. Aller Glanz und Können dieses erstklassigen Orchesters ist besonders in der der Operneinspielung vorgelagerten Aufnahme der Sinfonischen Dichtung „Mazeppa“ zu genießen. In dieser rein instrumental erzählten Geschichte rund um den ukrainischen Kosaken-Anführer wagnert es ganz gehörig, das (eklektische) Genie Liszts ist jedoch in jeder Note zu spüren. Falls sich der geneigte Hörer nicht an der dick aufgetragenen heroisch pathetischen Feierlichkeit der Musik stört.

 

Rein sängerisch überzeugt vor allem der spanische  Tenor Airam Hernández in der Titelpartie des Sardanapalo, kurzfristig für den  erkrankten Charles Castronovo eingesprungen. In nur zwei Tagen lernte er die von der Lage und dramatischen Disposition her sehr anspruchsvolle Partie. Ähnlich wie bei den für Tenöre “unsingbaren”  Meyerbeer-Opern muss  der Held der Oper dramatische Durchschlagskraft beweisen und metallische Höhen schmettern können, ebenso aber geschmeidig und flexibel genug für Verzierungen sein. Gut gefällt mir auch der Bassbariton Aleksandr Pushniak als Beleso, der auch schon den “Fliegenden Holländer“ in seinem Repertoire hat. Enttäuschend hingegen ist Joyce El-Khoury in der Rolle der Mirra. Der eng geführte Sopran ist mit der Tessitura und Dramatik der Partie überfordert. Die Höhen klingen scharf, das ständige Forcieren führt zu einer unsteten Tonproduktion. Ich vermisse den freien Fluss der Stimme, viel zu viel Druck beeinträchtigt die Qualität des Soprans. Aber auch der Damenchor des Opernchors des Deutsche Nationaltheaters Weimar könnte vibratoärmer agieren und an der Intonationssicherheit arbeiten. Das About der Aufnahme ist die Staatskapelle Weimar, die unter der Leitung von Kirill Karabits nach der hervorragenden Einspielung einiger Tondichtungen von Richard Strauss erneut seinen erstklassigen Rang in der deutschen Orchesterlandschaft unter Beweis stellen kann.

 

Hinweis: Auf audite.de finden Sie HD Downloads in Stereo und 5.12 Surround ebenso wie Liszts “Huldigungsmarsch” als Bonustrack zum Download.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 PS.: Eine Ergänzung kommt aus Expertenkreis: „Don Sanche“ ist eine komplette Oper in einem Akt von Franz Liszt, von der es auch eine sehr gute Aufnahme von Hungaroton gibt mit einem ausgezeichneten Sängerensemble: Garino, Hamari,Gati, Komlosi unter Tamas Pal in französischer !!!!! Sprache.

 

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