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CD FRANZ LISZT PETRARCA SONETTE – ANDRÈ SCHUEN und DANIEL HEIDE starten eine Liszt Liedergesamtedition – CAvi-music  

06.10.2019 | cd

CD FRANZ LISZT PETRARCA SONETTE – ANDRÈ SCHUEN und DANIEL HEIDE starten eine Liszt Liedergesamtedition – CAvi-music

 

Die Petrarca Sonette 47, 109 und 123 von Franz Liszt in drei verschiedenen Versionen markieren den Beginn eines der aktuell ehrgeizigsten Klassik-Plattenprojekte. Trotz Fischer-Dieskaus enzyklopädischer Tour de Force Studio-Aufnahmen von Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Robert Schumann, Hugo Wolf & Co gibt es noch keine vollständige Lied-Edition des Jahrhundert Pianisten und Komponisten Franz Liszt auf Tonträgern. Das soll sich jetzt ändern. 

 

Die insgesamt ca. 145 Liszt-Lieder  (inkl. Varianten) müssen allerdings mühsam zusammengetragen werden. Die einzige annähernd umfassende Sammlung seiner Lieder stammt aus den Jahren 1919-1921, erschienen bei Breitkopf & Härtel. Das Duo Heide und Schuen will eine  sinnvolle und plausible Gruppierung finden: Einzelne Dichter, wie Goethe, Heine, Französisches (hauptsächlich nach Victor Hugo) oder die Gegenüberstellung von frühen und späten Versionen sollen wichtige Kriterien für eine nachvollziehbare Gliederung darstellen. Was Liszts Schaffen für Klavier anlangt, ist der Tonträgermarkt schon generöser: Bei Hyperion ist schon vor längerer Zeit auf 99 CDs die Gesamteinspielung aller Klavierwerke Liszts mit Leslie Howard erschienen. 

 

Die erste Liszt-Lied CD der neuen Edition wurde im November 2018 in Hohenems erarbeitet und wartet mit zwei Versionen der Petrarca Sonette für mittlere Stimme und Klavier als auch mit der reinen Klavierfassung dieser Lieder auf. Verschmelzen beim ersten Zyklus aus den Jahren 1842 bis 1846 noch lyrisch Zartes und (schwer)gewichtig der italienischen Oper entlehntes Pathos zu einer großen dramatischen Kantate mit rezitativisch und ariosen Elementen, so steuert im Laufe der Jahre Liszts musikalische Sprache oder besser Zerrissenheit angesichts der Thematik des Zyklus (unerfüllte Liebe des Dichters zu Laura) einem Abgrund an menschlicher Grenzerfahrung zu. Leiser werden die Töne, mystischer, entrückter, ungreifbarer. Pianist Daniel Heide sieht am Ende der drei späten Varianten die Musik in die Stille geführt, am Ende des Sonettes 123 erlebt der Hörer “eine ganz faszinierende Transformation: Das, was in den frühen Varianten noch ein arabeskes ausuferndes Nachspiel war, ist nur noch eine einzige Akkordverbindung, die Liszt genügt, um den Charakter des Nachspieles einzufangen.”

 

Andrè Schuen, der vielleicht bedeutendste Kavaliersbariton seiner Generation, verfügt über einen lyrischen, in der Höhe sicheren Bariton. Viril timbriert, resonanzvoll und expansionsfähig. Als Opernsänger ist er aktuell vor allem mit Mozart (Don Giovanni, Cosí fan tutte), Donizetti (L’elisier d’amore, München), und Tchaikovsky (Eugen Onegin, Wien) beschäftigt. 

 

Bei seiner Interpretation der frühen Vertonung der Petrarca Sonette mischen sich testosterongeladenes opernhaftes Auftrumpfen mit verführerisch einschmeichelnden Piani. Die lang gesponnenen Legati zum Schluss des Sonetts 123 “ed era in cielo a l’armonia sí intento che non se veder in ramo mover foglia, tanta dolcezza avea pien l’aere e l vento” weisen Schuen als poetischen Barden sondergleichen aus, der Textdeutlichkeit mit balsamischem Wohllaut zu verbinden weiß. Die technisch und vom Tonumfang her unglaublich anspruchsvollen dramatischen Szenen  (“Pace non trovo”) führen den intensiv alle Emotionen auslotenden Sänger aber auch an vorläufige Grenzen seiner Möglichkeiten. Den stilistischen Spagat zwischen (allzu) großem Ton und lyrischer Versenkung bruchlos zu spannen, gelingt Schuen nur ansatzweise. Positiv formuliert: Die Brüche in Wollen und tatsächlichem Ausdruck, in Mittel und Zweck, die Liszt da zusammenzuführen versucht, bleiben klar erkennbar. Und wenn ich recht höre, so klingt manches s zu stimmhaft, manches o zu geschlossen, mancher Konsonant zu behaucht…. 

 

Als besonders gelungen und Höhepunkt des Albums darf “Oh quand je dors“ (als Kostprobe eines kommenden französischen Albums?) nach einem Gedicht von Victor Hugo gelten. Hier stimmt einfach alles.

 

Daniel Heide betont als Begleiter und Solist den Romantiker Liszt. Mit (viel) Pedaleinsatz bringt er bei den Tre Sonette del Petrarca für piano solo (aus den Annés de Pèlerinage, Anneé II: Italie) pastellgetönte impressionistische Klangmalerei ins Spiel. Als Begleiter trägt er seinen Partner auf Händen und hält sich vom Temperament her eher im Hintergrund.

 

Der Anfang ist gemacht, wir sind gespannt auf Kommendes. Eine prächtigere und farbenreichere Baritonstimme für solch ein Unterfangen wird man derzeit wohl kaum finden. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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