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CD FRANZ LEHÁR „CLOCLO“ – Live Mitschnitt vom Lehár Festival Bad Ischl 2019; cpo

Umwerfend komisch - Gepflegter Nonsens als Operettenspaß vom Feinsten

12.08.2020 | cd

CD FRANZ LEHÁR „CLOCLO“ – Live Mitschnitt vom Lehár Festival Bad Ischl 2019; cpo

Umwerfend komisch – Gepflegter Nonsens als Operettenspaß vom Feinsten

Operettenfans haben es schwer im von Covid-19 geprägten Kultur-Sommer 2020. Das Festival in Bad Ischl hat gar nicht erst einmal seine Pforten geöffnet. Gespielt soll erst wieder im Sommer 2021 werden. Da soll der Lehár-Reißer „Zarewitsch“ ab 17.7.2021 gezeigt werden. Eröffnet wird das berühmte Festival mit Emmerich Kálmáns „Czárdásfürstin“ ab 10.7.2021.

Lehàr aus Bad Ischl gibt es dank cpo auf CD. Die mit vollem Erfolg im Sommer 2019 aus der Versenkung geholte, halbszenisch aufgeführte dreiaktige Operette „Cloclo“ aus dem Jahr 1924 ist als Hörspiel ein verführerischer Genuss. Das Stück von Bela Jenbach kleidet sich vorzüglich mit verwaschener durchsichtiger Spitze und abgekautem Zigarettenspitz als französische Farce rund um die Tänzerin Cloclo Mustache. Sieglinde Feldhofer ist eine Operettendiva wie aus dem Bilderbuch. Übersetzt bedeutet der lautmalerische Familienname nichts anders als Schnurrbart. Der biedere Bürgermeister von Perpignan, Monsieur Severin („Gurkerl“) Cornichon wird von Gerd Vogel als lüsterner Schwerenöter mit großer Opernstimme gemimt. Der Biedermann hatte auf Dienstreisen auf dem Pariser Montmartre halt auch so seine Abenteuer. Blöd nur, dass Cloclos Bittbrief um 3000 Francs ausgerechnet Severins Frau Melousine (in der Sprache der Hutmacher ist damit ein langfloriger Haarfilz gemeint) in die Hände fällt. Ein ganz großes Lob verdient Susanna Hirschler als keifende, vordergründig moralinsaure Alte, die sich im Innersten nach Liebe und frivole Abenteuer sehnt. 

Melousine deutet die Briefanrede ‚Liebes Papachen‘ falsch, nämlich, dass das Schreiben von einer unehelichen Tochter stammt. Die bisher ohne Kind gebliebene resolute Stiefmama will das ,verlorene‘ Mädel sofort in die schöne Hauptstadt des südfranzösischen Départements Pyrénées-Orientales holen. Cloclo ist einverstanden, will sie sich doch durch diesen kleinen Ortswechsel der Verhaftung wegen einer Ohrfeigenaffäre mit dem Polizisten Petipouf (Matthias Störmer) entziehen. Bald tanzt der Lover Cloclos aus Paris an, der junge, noch mittellose Adelige Maxime de la Vallé (Daniel Jenz als knackiger Tenorino). Cloclo wird trotz all ihrer Schlaumeierei während einer Ordensverleihung an den Bürgermeister ausgerechnet zu dessen 50. Geburtstag verhaftet. Alles fliegt auf und klärt sich. Natürlich verzeiht die resche Melousine ihrem Mann unter dessen ergebensten Treueschwüren. Dazwischen gibt es eine gar köstliche Gesangstunde für Cloclo mit Ricardo Frenzel Baudisch als Klavierlehrer Chablis. 

„Cloclo“, komödiantisches Pendant zu „Paganini“, enthält Schlager, wie den Foxtrott der Melousine „Ich habe La Garçonne gelesen“. Die Lustspieloperette zeigt Lehárs Begabung der Verbindung von Tänzen mit innovativen instrumentalen Finessen. Ein Blues („Pflücke die Rose Dir“) mit Celesta und Banjo gewürzt, Klarinetten- und Saxophonklänge zum „Olé-Olá-Olé“ Shimmy-Ensemble. Eine Parodie auf ein Grammophon zu Beginn des Duetts „Kinder, es ist keine Sünde“ darf da auch nicht fehlen.

Überhaupt ist wieder einmal die hohe Instrumentierungskunst von Lehár zu bewundern. Schon die Ouvertüre und das Vorspiel zum dritten Akt sind mindestens so gut wie früher Puccini. Der Farbenreichtum der Partitur ist ein Hit.

Wie erfolgreich das Stück einst war, ist daran abzulesen, dass in der auf die Uraufführung folgenden Saison weltweit 64 Bühnen „Cloclo“ nachspielen wollten. Für die Aufführung am Berliner Theater am 11.11.1924 komponierte Lehár zwei Nummern hinzu: „Komm, die Nacht gehört der Sünde“ und den Foxtrott „Wenn man der Polizei ein Schnippchen schlägt“. Die Aufführung in London am Shaftesbury Theatre wurde noch um fünf Einlagen von Max Darewski und Harry Rosenthal ergänzt (was Lehár natürlich gar nicht Recht war) und erlebte 95 Vorstellungen. 1935 wurde das Sujet mit dem Titel „Die ganze Welt dreht sich um Liebe“ mit Marta Eggerth verfilmt. 1971 fiel dann vorerst der letzte Vorhang an der Staatsoperette Dresden, um sich erst wieder 2019 zu heben.

Marius Burkert dirigiert das Franz Lehár-Orchester und den Chor des Lehár Festivals Bad Ischl mit Lust und Witz. Schwungvoller kann Operette nicht gespielt werden. Ein Erzähler (Frank Voß) gibt eine Art Spielleiter pointenreich und schauspielerisch auf dem Punkt.

Erfreuen wir uns an diesem komischen Stück mit so kuriosen Sätzen wie „Dein Getränk ist Männerblut, du süße Bestie Du.“ oder „Ich bin meinem Mann treu, er hat es auch nicht anders verdient“. 

Fazit: Ganz große uneingeschränkte Empfehlung für diesen musikalisch so wunderbaren Gute-Laune-Bringer! 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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