CD: FRANZ LACHNER: SYMPHONY NO. 6 – Evergreen Symphony Orchestra, Gernot Schmalfuss
Von stilloser, unnötiger Ausdehnung zum ausgezeichneten Werk: Einer der umstrittensten Komponisten der 1830er-Jahre
Gut viereinhalb Jahre nach ihrer Einspielung (am 3. Januar 2017 im Keelung City Cultural Center, Taipei, Taiwan) sind Franz Lachners «Symphonie Nr. 6 D-Dur op. 56» und das «Concertino Es-Dur für Fagott und Orchester» nun als Co-Produktion des Evergreen Symphony Orchestra und des Labels cpo erschienen. Es spielt das Evergreen Symphony Orchestra unter Leitung von Gernot Schmalfuss. Die Nennung der Academia Montis Regalis und Alessandro De Marchis zu Beginn des Booklets dürfte ein Druckfehler sein.
Franz Paul Lachner, einer der umstrittensten Komponisten der 1830er-Jahre, wurde am 2. April 1803 in Rain am Lech (Bayerisch-Schwaben) in eine musikalische Familie, Vater wie Mutter spielten Orgel, hineingeboren. Nach dem Tod des Vaters, der ihn zum Beamten oder Geistlichen auserkoren hatte, brach Lachner das Gymnasium ab und ging als Musiklehrer und Aushilfsmusiker nach München. Da ihn seine Situation trotz seiner multiinstrumentalen Begabungen (Horn, Orgel, Violine, Cello und Kontrabass) und Unterricht bei Caspar Ett (1788-1847; Musiklehrer von König Maximilian II. und seit 1816 Hoforganist an der Michaelskirche) nicht befriedigte, zog Lachner im Herbst 1822 weiter nach Wien. Hier lebte er sich rasch ein, erlebte das erste öffentliche Konzert mit eigenen Werken und wurde Zweiter (1826) und Erster (1828) Kapellmeister des Kärntnertortheaters. Seine berufliche Situation war trotzdem nicht sicher, denn das Kärntnertortheater war verpachtet und so musste er bei jedem Pächterwechsel um seine Zukunft fürchten. 1834 erhielt er einen unbefristeten Vertrag am Hof- und Nationaltheater in Mannheim, sah sich aber weiter nach passenden Stellungen um. Als er am 1. Juli 1836 in München bayerischer Hofkapellmeister wurde, hatte er seine Lebensstellung gefunden. Er widerstand mehreren Abwerbungsversuchen und wurde 1852 zum ersten Generalmusikdirektor in Bayern. Als Ludwig II. Lachner gegen Ende der 1860er-Jahre in Sachen Oper Richard Wagner vorzog und in Sachen Kirchenmusik Franz Wüllner engagierte, suchte Lachner um seine Pensionierung nach. Am 20. Januar 1890 erlag Lachner einer Grippe-Infektion.
Lachner war ein äusserst produktiver Komponist mit einer Vorliebe für besondere Besetzungen («Concertino Es-Dur für Fagott und Orchester»). Sein Oeuvre umfasst über 200 Werke aller Gattungen, so vier Opern («Die Bürgschaft» (1828), «Alidia» (1839), «Catarina Cornaro» (1841), «Benvenuto Cellini» (1849)) und acht Symphonien. Lachners Symphonien, die von einem «Nachzügler» abgesehen, alle vor 1839 entstanden, waren zu ihrer Zeit heftigst umstritten. So sprach Robert Schumann von der fünften Symphonie noch als «styllos» und von «unnöthiger äusserlicher Ausdehnung» während er die sechste dann als «ausgezeichnetes Werk» lobte. Mit dem Aufkommen der Symphonien Schumanns und Mendelssohns verlor Lachner das Interesse und entdecke die seit Haydn vergessenen Orchestersuiten für sich. Wie so viele Komponisten wurde Lachners Schaffen rasch nach seinem Tod vergessen. Während es von der sechsten Symphonie bis 1840 einzelne Aufführungen gab, sind für das Concertino zu Lebzeiten Lachners keine Aufführungen nachgewiesen.
Das Evergreen Symphony Orchestra unter Leitung von Gernot Schmalfuss und die Solistin Chia-Hua Hsu (Fagott) bringen die beiden Werke konzentriert und mit grosser Spielfreude zu Gehör.
Ein wertvolle Ergänzung des CD-Markts.
19.08.2021, Jan Krobot/Zürich