CD: Franz KROMMER • Concerto for two Clarmiets op. 35, Concertino op. 38 • Orchestra della Svizzera Italiana, Howard Griffiths
«Wenn uns Herr Krommer doch mehr dergleichen Konzerte lieferte»
Der Rezensent einer Aufführung des Konzerts in Breslau im Winter 1803/04 befand in der Allgemeinen musikalischen Zeitung: „Ein schönes Konzert“ und liess seine Besprechung mit dem Ausruf enden: «Wenn uns Herr Krommer doch mehr dergleichen Konzerte lieferte!».
1853 äussert sich der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl (1823–97) in seiner einst vielgelesenen Essaysammlung «Musikalische Charakterköpfe»: «Aber nicht bloß die Werke Krommers an sich gaben mir Rätsel auf, ein noch grösseres Rätsel war es mir, wie dieser einst so populäre Meister der Kammermusik bald nach seinem Tode so ganz vergessen werden konnte. Ich meine vergessen nicht nur in dem Sinn, dass die Musiker seine Quartette von ihren Programmen strichen […], sondern auch in dem weiteren Sinne, daß man Krommer historisch totschweigt und seinen Namen selbst in musikgeschichtlichen Büchern nicht mehr nennt […]».
Franz Krommer gehört zu jenen Komponisten, die zu Lebzeiten höchst geschätzt waren – Krommer wurde in Sachen Streichquartette auf eine Stufe mit Beethoven gestellt – und nach ihrem Tod höchst rasch vergessen wurden.
Im Falle von Krommer, geboren am 27. November 1759 in mährischen Kamnitz (heute Kamenice u Jihlavy) geboren und später bei seinem Onkel Anton Matthias Krommer in Turas bei Brünn (heute Brno-Tuřany) ausgebildet wurde, mag dies daran liegen, dass sich sein kompositorisches Schaffen auf wenige Gattungen und Wien, wo er rasch im Schatten Beethovens stand, beschränkte.
Bevor Krommer seine Existenz durch eine «gute Partie» (zweite Ehe mit der Witwe Maria Magdalena von Horwath) und Hofämter materiell absichern konnte, war er als Musiker und Kapellmeister in weiten Teilen des Habsburgerreichs, in Turas, Wien, Pressburg (Bratislava), Simonthurn, (Simontornya in Ungarn) und Fünfkirchen (Pécs in Ungarn), und im damals russischen, heute ukrainischen Schytomyr tätig.
1810 wurde Krommer vermutlich Musikdirektor der Ballette beim Hoftheater, 1815 kaiserlicher Kammerthürhüter und 1818 in der Nachfolge von Leopold Antonín Koželuh kaiserlicher Hofkomponist und Kammer-Kapellmeister. Nun war Krommer finanziell abgesichert und konnte sich auf die Komposition konzentrieren. In Krommers kompositorischem Schaffen spielen die Kammermusik und dort Komposition für harmoniemusikalische (Bläser–)Besetzungen die Hauptrolle. An Orchestermusik komponierte Krommer neben neun Symphonien insgesamt 18 Konzerte für ein oder zwei Soloinstrumente (Bläser oder Streicher). Ähnlich wie bei Andreas Romberg (1767–1821) oder Louis Spohr (1784–1859) Musik für Tasteninstrumente kaum vertreten ist. Krommers Konzert für zwei Klarinetten und Orchester Es-Dur op. 35 erschien 1803 das erste Mal im Druck und wurde bis 1822 wiederholt aufgelegt. Krommers Concertino F-Dur op. 38 für Flöte, Oboe, Violine und Streicher dürfte aus etwa der gleichen Zeit stammen. Wie bei der Gattung «Concertato» steht hier das kontrastierende Zusammenspiel von Flöte, Oboe, Violine als Soloinstrumenten und Hörnern, Violen und Bässen im Orchester im Vordergrund.
Krommers Musik ist durch eine enorm frische, unerhört farbige Melodik mit Potential zur Sucht geprägt. Das Orchestra della Svizzera Italiana und die Solisten Paolo Beltramini (Klarinette), Corrado Giuffredi (Klarinette)‚ Bruno Grossi (Flöte), Marco Schiavon (Oboe) und Robert Kowalski (Violine) unter musikalischer Leitung von Howard Griffiths setzen Krommers Musik mit enormem Brio und Leidenschaft um.
Wenn uns Herr Krommer doch nur mehr dergleichen Konzerte geliefert hätte!
17.06.2023, Jan Krobot/Zürich