CD FRANZ IGNAZ BECK „L‘ISLE DÉSERTE“ – Michael Schneider dirigiert La Stagione Frankfurt; cpo
Besser als Haydn
Kürzlich kam eine musikalisch bemerkenswerte Neuaufnahme von Haydn‘s „L‘isola disabitata“ beim Label Pentatone auf den Markt (vgl. meine Besprechung für den Online Merker vom 23.8.). Nun ist bei cpo die auf eine Adaption des Librettos von Metastasio geschriebene Opéra comique „L‘Isle déserte“ des Mannheimers Franz Ignaz Beck erschienen. Reduziert auf zwei Soprane (Costance, Laurette) und zwei Tenöre (Dorval, Sainville) funktioniert die Oper dramaturgisch um Längen besser als das durch endlose Rezitative zerdehnte Haydn-Oeuvre.
Als Mittzwanziger wählte Beck Bordeaux als seinen Lebensmittelpunkt. Dort wurde er zum bestimmenden Faktor des musikalischen Lebens, das ab 1780 vor allem durch die Eröffnung eines der damals größten und modernsten Opernhäuser geprägt war. Wenn Musikfreunde Beck kennen, dann ist dies wohl Michael Schneider und dem rührigen Label cpo zu verdanken, die neun seiner Symphonien auf Tonträger verewigten. Leider ist uns von seinen Bühnenwerken neben dem Melodram „Pandore“ nur die 1779 in Bordeaux uraufgeführte Oper „L‘Isle déserte“ vollständig überliefert.
Zur Erinnerung: In dieser Oper treffen in einer robinsonhaften Versuchsanordnung vier Personen aufeinander. Costance glaubt, dass Dorval (=Gernando bei Haydn) die schiffbrüchigen Schwestern wegen einer anderen auf der einsame Insel zurückgelassen hätte. Laurette (=Silvia) war damals – der tatsächliche Sturm samt Entführung der Männer durch Piraten spielte sich 13 Jahre vor Beginn der Oper ab – noch zu klein, um das Verhalten der großen Schwester und ihre Einstellung den “feindseligen Männern“ gegenüber zu verstehen. Als das Schiff mit den aus der Sklaverei entlassenen Männern landet, finden die richtigen Paare schnell zueinander. Laurette bekommt Dorvals Gefährten Sainville und Costance natürlich ihren „eh“ treuen Dorval zurück.
Musikalisch hat Beck die bloße Abfolge von Arien bei Metastasio durch die Einfügung zweier Duette aufgelockert und die Oper insgesamt von 7 auf 10 Nummern erweitert. Ein „Alle sind happy“- Quartett beschließt hier wie da die Oper. Da die die einzelnen Nummern verbindenden Dialoge verloren gegangen sind, wurde in der Aufnahme richtigerweise darauf verzichtet, sie rekonstruieren zu wollen.
Von der musikalischen Substanz her ist eine dramatisch grundierte, an Gluck erinnernde klassizistisch-virtuose Musik zu bestaunen. In der Instrumentalbegleitung hat Beck für die enorm anspruchsvollen Arien von Costance und Dorval oftmals konzertierende Elemente etwa des Horns eingefügt. Wie geschickt Beck mit einem Orchester umgehen konnte, wie lautmalerisch er den äußeren wie inneren „Sturm“ instrumentierte, ist schon an der prächtigen Ouvertüre zu erspüren.
Die Aufnahme ist durchgängig großartig musiziert. Die Rumänin Ana Maria Labin gibt eine überwältigend hochdramatische Costance. Sie und ihr tenoraler Counterpart Theodore Brown (Dorval) bilden das heroische Duo, während die silbrige Samathna Gaul (Laurette) und Fabian Kelly (Sainville) ein liebestrunken unverdorben leichtes Buffopaar abgeben.
Fazit: Ein ca. einstündiges Opern-Riesenvergnügen!
Dr. Ingobert Waltenberger