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CD FRANO PARAC: JUDITA – Live Mitschnitt aus dem Prinzregententheater München 2024; BR-Klassik

01.10.2025 | cd

CD: FRANO PARAC: JUDITA – Live Mitschnitt aus dem Prinzregententheater München 2024; BR-Klassik

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Der kroatische Chefdirigent des Münchner Rundfunkorchesters, Ivan Repušić, nutzte immer wieder die Gelegenheit, Werke von bei uns kaum bekannten Komponisten seiner Heimat aufs Programm zu setzen und via Tonträger einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Im Falle der Oper „Judita“ in zwei Akten des 1948 geborenen Frano Parać ist ein lohnendes wie musikdramatisch eindrückliches Unterfangen zu konstatieren. Das Libretto nach dem bekannten Stoff aus dem Alten Testament hat der Komponist in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Tonko Maroević auf Basis einer bereits existierenden literarischen Vorlage selbst gestaltet.

Parallelen der Erzählung der Belagerung der Stadt Betulia durch den assyrischen Krieger Holofernes (in der Oper Oloferne) und seiner Enthauptung durch die berechnend verführerische Judita samt Flucht der Feinde im Morgengrauen zur Geschichte der Stadt Split treten nicht zufällig zutage. Split war immer wieder ab Mitte des 15. Jahrhunderts der Aggression des Osmanischen Reichs ausgesetzt. Das veranlasste den Dichter Marko Marulić an der Schwelle vom 15. zum 16. Jahrhundert, das allegorische Epos „Judita“ in kroatischer Sprache zu verfassen.

Aus Anlass des 550. Geburtstages des Dichters und des 1700-jährigen Jubiläums der Stadtgründung von Split im Jahr 2000 nahm der aus Split stammende Frano Parać die Gelegenheit wahr, mit „Judita“ seine erste Oper zu versuchen. Die sphärisch zweigeteilte Musik (jüdisches Volk in Betulia, belagernde Assyrer) ist einer post-spätromantischen, klassischen Moderne verpflichtet, wobei dem atmosphärisch archaisierenden Chor – klanglich an den altkirchenslawischen glagolitischen Gesängen orientiert – die tragende Rolle zukommt.

Die eng an der Sprache orientierte, teils thematisch kleinteilige und melodisch volkstümliche Kompositionsweise mag ein wenig an die Opernwelten eines Leoš Janáček oder Béla Bartók erinnern. Die reiche Instrumentierung und die bacchantisch-dekadente Atmosphäre des Festmahls wecken Erinnerungen an Richard Strauss, die rhythmisch-repetitive Durchdringung einiger Szenen an Carl Orff.

Das fünfte Bild mit seinen scharf rhythmisierenden kriegerischen Akzenten bringt das erste Aufeinandertreffen und die vorsichtige Annäherung von Judita und Oloferne (rauhbassig Ivica Čikeš). Das Festmahl, zu dem Oloferne im Glauben an einen bereits fixen Sieg über die Stadt lädt, schildert Frano Parać mit einem sarkastisch aufgepeitschten Marsch à la Shostakovich. Gemeinsam mit dem verschwenderisch opulenten Duett von Judita und Oloferne ist es eine der fantastischsten Nummern der Oper.

Aus der überwiegend muttersprachlich serbokroatischen Besetzung ragen vor allem die vom Stimmvolumen und Timbre her beeindruckende serbische Mezzosopranistin Sofija Petrović als jüdische Witwe Judita mit ihrem bewegenden Monolog im vierten Bild, der aus Zagreb stammende junge Bariton Matija Meić (Vagav, Wesir von Oloferne), der Tenor Stjepan Franetovic (Ozija, Verteidiger von Betulia), und der großartige serbische Bass Sava Vemić,  Ensemblemitglied des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München (Eliakim, Oberpriester) hervor.

Ivan Repušić, der vor kurzem das Amt des Generalmusikdirektors der Oper Leipzig angetreten hat, schlägt mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Kroatischen Rundfunkchor aus der Oper glühende Funken. Er zündet alle Lunten von waffenklirrenden Leidenschaften im Aufeinanderprallen von widerstrebenden Macht- und Liebesinteressen. Dieses kurzweilige musikalische Feuerwerk empfiehlt sich – der da und wann erkennbaren Vorbilder ungeachtet – überaus für ein Kennenlernen, zumal Parać ein knackiger Wurf mit einer am Ende eigenen musikalischen Handschrift gelang. Repušić vollblütige Interpretation ist ungeachtet der „bloß“ konzertanten Wiedergabe von leidenschaftlicher Bühnenatmosphäre getragen. Wunderbar!

In den knapp 70 Minuten Spielzeit ist als Zugabe der ‚Tanz der Baroness‘ aus dem Ballett „Carmina Krležiana“ enthalten.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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