Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD FRANCOIS COUPERIN: Frühe Cembalosonaten, ernste Arien und Trinklieder – LES TALENTS LYRIQUES, CHRISTOPHE ROUSSET

30.11.2022 | cd

CD FRANCOIS COUPERIN: Frühe Cembalosonaten, ernste Arien und Trinklieder – LES TALENTS LYRIQUES, CHRISTOPHE ROUSSET Cembalo und Dirigent, CYRILLE DUBOIS Tenor; aparte

cy

Die Couperins, das war in Barockzeiten ein bedeutender Pariser Musikerclan, durchaus vergleichbar mit der deutschen Bach-Familie. Da gab es Organisten, Komponisten, Cembalisten, Harfenisten, Sänger und Pädagogen aller Art, viele Jahre hindurch das Musikleben beeinflussend, vom 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Heute beginnt man sich nicht nur der männlichen Superstars der Großfamilie, wie François Couperin, „Le Grand“, dem dies CD gewidmet ist, oder Louis Couperin, sondern auch der fünf Frauen der Couperins zu besinnen, die zu Lebzeiten bekannte Musikerinnen waren.

François, der mit seiner „L’art de toucher le clavecin“ eines der wichtigen theoretischen Denkmäler der filigran-raffinierten Cembalo-Kunst schuf, erlangte als Hofkomponist des Sonnenkönigs Ludwigs XIV. großen Ruhm. An die 240 Cembalowerke flossen aus seiner Feder. Die wiederum fügen sich zu 27 Suiten in vier „Ordres“ zusammengefasst.

Couperin liebte es, seine Stücke mit „sprechenden“ Überschriften zu versehen. So sind auch auf diesem mit „Die Sphäre des Intimen“ programmatisch klar angezirkelten Album konkrete Zuschreibungen wie „La Sultane“ für die Sonate en quatuor oder „La Superbe“ für die Sonate en trio zu finden. Zu den „Pièces choisies pour le clavecin de différents auteurs“ fielen Couperin Name wie „L’Abeille“ (= Die Biene), „Les Nonettes.Les Blondes“ oder „Les Nonettes.Les Brunes“ ein (Anm.: so heißen auch frz. Küchelchen nach Lebkuchenart mit Orangenmarmelade und Honig). Also, entweder war unser großer Cembalomeister ein findiger Poet oder ein Schelm oder ein guter Vermarkter seiner Stücke oder alles zusammen.

Alles, was diesen Couperin ausmacht, ist jetzt wieder einmal lustvoll dargeboten und höchst anspruchsvoll realisiert nachzuhören dank des virtuosen Cembalospiels von Christophe Rousset und des klarhellen Charaktertenors von Cyrille Dubois.

Der frz. Allround-Musiker Rousset hat sich auch als Dirigent mit seinem Originalkang-Orchester „Les Talents Lyriques“ über die Jahrzehnte seit der Gründung des Spezialensembles 1991 hinweg einen Namen als hartnäckiger Archäologe verschütteter Opernpartituren und deren Wiederbelebung auf Bühnen und Tonträgern einen Namen gemacht. Ich denke hier etwa an den Soundtrack zum Farinelli-Film, Carlo Pallavicinos venezianische Karnevalsoper „Le Amazzoni nell’isole ­fortunate“, Stefano Landis „La Morte d’Orfeo“, Vicente Martin y Solers „Il Burbero Di Buon Cuore“ oder für den venezianischen Verlag Bru-Zane die Opern „Uthal von Étienne-Nicolas Méhul oder „Renaud“ von Antonio Maria Sacchini.

Zurück zu Francois Couperin: Er war seit 1865 Organist an der Kirche Saint-Gervais in Paris und Organist der Chapelle du roi ab Dezember 1693. Daneben unterrichtete er die Mitglieder der königlichen Familie und andere private Personen. Ganz schön ausgelastet der Mann, würde man heute sagen. Deshalb kam Couperin erst mit 45 Jahren dazu, sich um die Publikation seiner Cembalowerke zu kümmern.

Schon davor kursierten jedoch einige Instrumentalwerke bzw. Couplets und „Airs“ in den „Recueils d’airs sérieaux et á boire“, herausgegeben von Christophe Ballard. von denen einige auf dem Album zu hören sind. Sie betonen eine ganz andere, unbekannte – weil humorvolle – Facette im Schaffen des Herrn Couperin. Rousset hat für die kurzen Vokalstücke die basso continuo-Begleitung dazugeschrieben. Die Autorenschaft der Airs war nicht immer zweifelsfrei festzustellen, weil die Verse über bereits bestehende Melodien gestülpt wurden. Die akademischen Belange sollen uns aber nicht weiterbeschäftigen, die Mitautorenschaft von François Couperin ist da und der Einfluss italienischer Tänze wie der Tarantella bei einigen Sonaten lässt sich schon an den Bezeichnungen „Gavotte Italienne“, Sicilienne“ oder „La Vénitienne“ ablesen.

Besonders erwähnenswert ist die Triosonate mit dem Titel „La Steinkerque“, die wenige Tage nach der Schlacht vom 3.8.1692 im Pfälzischen Erbfolgekrieg komponiert wurde (die frz. Truppen waren siegreich aus der Schlacht gegen die Augsburgische Allianz hervorgegangen). Hier wechseln einander nach anfänglichem Kriegslärm verschiedene „mouvement de fanfares“, i.e. flotte und langsame (Grave) Passagen ab.

Fazit: Das Album mit wenig bekannten bzw. frühen Werken des frz. Barockkomponisten Couperin enthält Aufnahmen aus den Jahren 2016, 2017 und 2021.Wir hören besten Couperin mit italienischem und französischem Stil synthetisierender Musik, instrumental und vokal auf hohem Niveau dargereicht. Für Spezialisten oder generell Liebhaber französisch-barocker Klangkulinarik gleichermaßen geeignet.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken