CD FRANCIS POULENC „LA VOIX HUMAINE“ – Szene einer Trennung am Telefon mit VÉRONIQUE GENS; alpha
Die tragédie lyrique en une acte auf einen Text von Jean Cocteau hat Poulenc der Sopranistin Denise Duval gewidmet. Am 6.2.1959 an der Opéra Comqiue unter der musikalischen Leitung von George Prêtre uraufgeführt, ist „La voix humaine“ ein unheimliches Einpersonenstück, wo die Stimme des Mannes, mit dem die um ihre Liebe kämpfende Frau telefoniert, nicht zu hören ist.
Das von großen, widerstreitenden Emotionen getragene Werk ist als kammermusikalische 40-Minuten-Mono-Oper von kleinen Theater-Ensembles aufgeführt worden. Bisweilen wird das Orchester durch ein Klavier ersetzt, wie in der Aufnahme mit Caroline Casadesus und Jean-Christophe Rigaud am Klavier (Ad vitam Records).
Selbstredend eignet sich „La voix humaine“ vorzüglich als darstellerisch und stimmlich dankbares Vehikel für große Primadonnen. So haben die „Stimme“ die dramatischen Soprane Magda Olivero (Dallas 1970), Gwyneth Jones, Felicity Lott – oder jetzt wieder eine charismatische Französin – Véronique Gens interpretiert.
Die vom self-made Komponisten Poulenc präzise gesetzte Abfolge von Parlando, lyrischem Innehalten, Pausen und naturkatastrophengleichen Gefühlslagen – Selbstmord, eine Überdosis an Schlaftabletten bzw. der Telefondraht um den Hals werden explizit angesprochen – ist bei der vor allem für ihre zwingende Gestattung von Barocktragödinnen und romantischen Heroinen bekannt gewordenen Véronique Gens in besten Händen. Ich kann mir neben Denise Duval keine bessere Interpretin als die mit Stimmfarben und Atmosphäre besonders gut jonglierende Sängerin vorstellen.
Die Aufnahme Duval/Prêtre (1959) ist gekoppelt mit Poulencs „Le bel indifferent“ mit Edith Piaf aus dem Jahr 1953. Die neue Einspielung wird durch die „Sinfonietta“ ergänzt. Das an Prokofievs Symphonie classique konfektionierte Stück basiert auf einem vom Komponisten verworfenen Streichquartett, deren drei markante Themen er in die „Sinfonietta“ einfließen ließ.
Das Orchestre National de Lille unter der musikalischen Leitung von Alexandre Bloch begleitet diesen Opernschocker mit aller gebotenen Intensität, keine Extreme scheuend.
https://www.youtube.com/watch?v=Df4oFOj7UNM
Dr. Ingobert Waltenberger