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CD FLORENCE PRICE: Violinkonzerte Nr. 1 & 2, MAX BRUCH: Violinkonzert Nr. 1, RANDALL GOOSBY, Philadelphia Orchestra, Yannick Nézet-Séguin; DECCA

16.05.2023 | cd

CD FLORENCE PRICE: Violinkonzerte Nr. 1 & 2, MAX BRUCH: Violinkonzert Nr. 1, RANDALL GOOSBY, Philadelphia Orchestra, Yannick Nézet-Séguin; DECCA

Philadelphia Orchestra: Teil 2 des Herzensengagements, alle großen Orchesterwerke der amerikanischen Komponistin Florence Price aufzunehmen

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Yannick Nézet-Séguin und „sein“ Philadelphia Orchestra haben die Erste und Dritte Symphonie von Florence Price 2021 für die Deutsche Grammophon eingespielt. Volksmusik, Spirituals, Kirchenlieder und spezifische Jazz-Anklänge bilden den Urgrund ihrer harmonisch romantisch und melodisch so überaus einfallsreichen Musik.

Wie die beiden Symphonien hat Nézet-Séguin die Violinkonzerte, ergänzt um Max Bruchs erstes Violinkonzert in G-Dur, Op. 26, in der Verizon Hall des Kimmel Center for the Performing Arts in Philadelphia aufgenommen. Diesmal in vier Konzerten live, bei Perfektionierung einiger Takes unter Studiobedingungen.

Florence Price stammt aus Little Rock in Arkansas. Sie war ein musikalisches Wunderkind, das mit vier Jahren schon öffentlich als Pianistin in Erscheinung trat, mit elf legte sie ihre erste Komposition vor. Price landete bald in Chicago, lernte am American Conservatory und am Chicago Musical College. Im Rahmen der Chicago Black Renaissance, einer Bewegung afroamerikanischer Kunstschaffender und Literaten, vertonte sie ihre Gedichte. Die Scheidung von einem gewalttätigen Ehemann zwang sie, sich und ihre Kinder mit ihren Einnahmen als Klavierlehrerin, dem Schreiben populärer Songs und anderen musikalischen Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten.

Da einzigartiges Können und Konsequenz irgendeinmal auffallen, gewann Price mit ihrer Symphonie in E-Dur den Wanamaker Prize und wurde damit zur Weltausstellung 1933 eingeladen. Dort stand die Aufführung der Symphonie mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Leitung von Frederick Stock für das erste Mal, dass ein Orchesterwerk einer Afroamerikanerin von einem großen US-Orchester gespielt wurde. Trotz einiger schöner Landmarks wie das von ihr selbst als Pianistin aus der Taufe gehobene Concerto in One Movement, gefeierte Spiritual-Arrangements, sowie die 1940 vom Detroit Civic Orchestra uraufgeführte dritte Symphonie blieb ihrem reichen Schaffen in den Disziplinen Orchester, Chor, Kammer- und Orgelmusik sowie Lied, ein nachhaltiger Erfolg bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts verwehrt. Zur Renaissance trug maßgeblich bei, dass 2009 im einstigen Sommerhaus der Komponistin in St. Anne in Illinois bis dahin unbekannte handschriftliche Partituren auftauchten. Also jetzt ran an die Tasten, schien das Motto einer beispiellos erfreulichen Neurezeption zu sein. Kleines Beispiel: Während ihre erste Sinfonie 2018 in den USA zweimal aufgeführt wurde, gab es 2019 bereits über 70 Programmierungen alleine dieses Werks.

Das vorliegende Album ist künstlerisch vom gerade einmal 27-jährigen amerikanischen Geiger Randall Goosby getragen. Mit einer technischen Makellosigkeit sondergleichen, dazu einer engelsgleichen Sanglichkeit, einem alle Sinne wach rüttelnden und einehmenden ruhig strömenden Seelenton, der lachen und weinen und beides zugleich zu können scheint, ist er der junge Geiger unter allen gehypten Highflyern derjenige, der mit seinen so schwerelos schwebenden Endlos-Phrasen als auch den wie für sich selbst gezeichneten kleinen Noten am meisten für sich einnimmt. Mit einem sympathischen Understatement in Bezug auf Werk und Atmosphäre und einem doch so reif ausgebildeten persönlichen Tonfall formuliert er auf der Geige ein unwiderstehliches Plädoyer für Florence Prices so amerikanisch-polystilistische, spätromantisch dicht gewebte Musik.

Dabei macht Goosby klar, dass das Erste Violinkonzert, obwohl es an das berühmte Konzert von Tchaikovsky anschließt, weder epigonal noch anbiedernd ist. Gefühlvolle Kantilenen lässt er als solche erblühen, im Allegro des D-Dur Konzerts als auch dem 10 Jahre später entstandenen durchkomponierten Zweiten zwitschert er auf der Geige, wie das mit der Selbstverständlichkeit sonst nur Amseln im Frühling vermögen. Sein taufrisches Spiel ist unprätentiös, schlank, von einem behutsam applizierten Edelvibrato gerandet und von einer besonders humanen Note getragen. Goosby engagiert sich pädagogisch zudem in Schulen und spielt in Spitälern. Kein Geringerer als Itzhak Perlman ist sein Mentor, als Kammermusiker studierte er im Perlman Music Program, der Verbier Festival Academy und der Mozarteum Sommerakademie.

Persönlich aufschlussreich ist, dass Goosby als Ergänzung zu den zwei Florence Price Konzerten das Erste Violinkonzert von Max Bruch gewählt hat. Genau dieses 1868 fertiggestellte, dem Geiger Joseph Joachim gewidmete Stück hat Goosby zur Musik gebracht, es löste sozusagen die künstlerische Initialzündung bei ihm aus. Die aktuelle Wiedergabe ist eine der subtilsten des Katalogs geworden.

„Wenn ich Musik spiele, will ich mich dabei mit mir auseinandersetzen. Mendelssohn-Bartholdy, Bruch, Schumann, Brahms sind alle ein Teil von mir, ebenso wie Still, Price und Perkinson.“ Kostproben Letzterer hat Goosby gemeinsam mit Musik von Samuel Coleridge-Taylor, Antonin Dvořák und George Gershwin in seinem ersten DECCA Soloalbum „Roots“ vorgestellt.

Das Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin bereitet dem Geiger einen luxuriösen Klangteppich. Hier geht es um Emotionen, die pure Schönheit und Opulenz von Klang und sonst nichts. Die Aufnahmetechnik lässt verwöhnteste „High End“-Ohren jubeln. Der Aufnahmeleitung ist für eine besonders gelungene Balance zwischen Solisten und Orchester zu danken.

Mein Tipp: Auflegen, abtauchen und genießen.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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