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CD FLORENCE BEATRICE PRICE : Symphony Nr. 3, The Mississippi River, Ethiopia‘a Shadow in America; ORF VIENNA RADIO SYMPHONY ORCHESTRA unter JOHN JETER; NAXOS American Classics

29.12.2021 | cd

CD FLORENCE BEATRICE PRICE : Symphony Nr. 3, The Mississippi River, Ethiopia‘a Shadow in America; ORF VIENNA RADIO SYMPHONY ORCHESTRA unter JOHN JETER; NAXOS American Classics

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Die afro-amerikanische Komponistin Florence Beatrice Price hat es endlich bis zur Deutschen Grammophon geschafft: Yannick Nézet-Séguin hat mit dem Philadelphia Orchestra die Symphonien Nr. 1 und 3 eingespielt. Die CD wird Mitte Jänner 2022 erscheinen. Die Lorbeeren für die symphonische Pionierarbeit der besten amerikanischen Komponistin der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in diesem Fall aber ganz eindeutig das Label Naxos einheimsen. 

 

2019 wurden die Aufnahmen von Price’ Symphonien Nr. 1 und 4 mit dem Fort Smith Symphony unter der künstlerischen Leitung von John Jeter veröffentlicht. Nun legt das ORF Vienna Symphony Orchestra mit der Einspielung der Symphony Nr. 3 und der sinfonischen Dichtungen „The Mississippi River“ und „Ethiopia‘s Shadow in America“, wieder unter der kundigen Leitung von John Jeter, nach. Es sind fantastische Alben geworden. Price komponiert spätromantisch mit einer Art impressionistischen Farbraffinement in einem typisch amerikanischen und dennoch sehr persönlichen Sound, beeinflusst von Copland, Jazz, Spirituals und Tänzen der afrikanischen Diaspora. 

 

Florence Beatrice Price ist die erste afro-amerikanische Komponistin, von der ein symphonisches Werk mit einem professionellen Orchester aufgeführt wurde. Aber das soll nicht der alleinige tiefere Grund sein, warum wir uns für ihr Werk interessieren. Die Qualität ihrer Musik ist nämlich ganz außergewöhnlich, die Stücke voller Energie und unbändigem Swing. Vor allem das onomatopoetisch so abwechslungsreiche „The Mississippi River“ kann es mit den besten amerikanischen Kompositionen des 20. Jahrhunderts aufnehmen. Daher hat Price die Bezeichnung als weiblicher Gershwin genauso wenig nötig wie Nikolai Kapustin ein russischer Gershwin war. 

 

„Bea“, wie sie von der Familie und Freunden liebevoll gerufen wurde, erblickte 1887 in Little Rock, Arkansas, das Licht der Welt. Zuerst von der Mutter musikalisch unterrichtet, absolvierte die junge Price 1906 das New England Conservatory in Orgelspiel und Klavierpädagogik. 1927 übersiedelte sie mit ihrer Familie aufgrund von Rassenunruhen nach Chicago, um dort nach besseren Lebensbedingungen und beruflichen Möglichkeiten zu suchen. 1932 gewann sie mit der Symphony in e-Moll die “Competition for Black Composers”. So wurde Frederick Stock, Chefdirigent des Chicago Symphony Orchestra auf sie aufmerksam, der das Stück 1933 aus Anlass der “Century of Progress Exposition” aufs Programm setzte. Aber auch die Altistin Marian Anderson begann intensiv mit Price zusammenzuarbeiten. 

 

Die dritte Symphonie ist in den Ecksätzen der klassischen Tradition der dreiteiligen Sonaten Allegro Form verpflichtet. Manche Themen folgen Liedern und Tänzen der afrikanischen Diaspora. So kann das zweite Thema in ersten Satz leicht als Melodie zu “Deep River” dechiffriert werden. Die Mittelsätze gelten als Ausdruck spiritueller Konzentration, wie das im dritten Satz aus den synkopierten Rhythmen des “Juba” ausdrücklich hervorgeht. Der Plantagentanz Juba ist in Westafrika entstanden und hat sich im 19. Jahrhundert rasch in der Karibik und in den Südstaaten der USA etabliert. Trommeln waren ja verboten, also diente Stampfen, Klatschen und Klopfen mit Armen und Beinen der Kommunikation. Diese so dem Leben und Überleben zugewandten Elemente des afrikanisch amerikanischen Kulturerbes packt Price in einen üppigen Brahmsischen bis flotten Big Band Orchesterklang. Der gezielte Einsatz von Holzbläsern und Schlaginstrumenten sorgen für die unverwechselbare Atmosphäre.

 

Mit “The Mississippi River”, ebenfalls viersätzig und mit über 25 Minuten Spieldauer fast so lang wie die Symphonie Nr. 3, schreibt Price nicht zuletzt ein Stück eigener Lebensgeschichte. Der Fluss spielte insoweit eine zentrale autobiographische Rolle in ihrem Leben, als Price nicht nur von Arkansas aus flussaufwärts nach Illinois zog, sondern als der Fluss auch als Metapher für Migration und Fortbewegung steht. Price malt mit pastos aufgetragenen Orchesterfarben ein majestätisches Porträt des gewaltigen Flusses. Dabei folgt sie beginnend mit Vogelsang und sanften Wellenbewegungen dem Flusslauf von den Quellen in Minnesota aus bis zum gewaltigen Mündungsgebiet im Golf von Mexiko wie von der Idee her dies einst Smetana in seiner “Moldau” so genial vorführte. Price verwendet Zitate aus “Nobody knows the trouble I’vs seen”, bevor die Stromschnellen heftiger werden und auch an die bis vor dem Krieg legalisierte Sklaverei in Missouri erinnern sollen. Hierauf leitet eine Tanzband über zu einer Meditation über die Spirituals “Stand still Jordan”, “Deep River” und “Go down, Moses”. Geschickt und in großer Leichtigkeit verarbeitete Themen aus dem kreolischen Lied “Lalotte” und “Steamboat Bill” geben schließlich Raum für eine weitere Mediation über “Nobody knows”. 

 

Das dritte Stück des Albums, “Ethiopia’s Shadow in America” hat einen dreiteiligen historischen Bogen als Programm. In Price’s eigenen Worten: “I. The Arrival of the Negro in America, when first brought her as a slave II. His Resignation and Faith III. His Adaption, a fusion of his native and acquired impulses.”

 

Das ORF Symphony Orchestra unter der Leitung des amerikanischen Dirigenten John Jeter spielt diese großartigen, vom Sound und der rhythmischen Vielfalt her genussreichen Stücke glanzvoll und animiert, voller unbändiger Energie und anrührender Melancholie. Trotz aller Bedeutungsschwere des Sujets wirkt die Musik stets unterhaltsam, an einigen Stellen sogar ausgesprochen humorvoll. Der Hörer kann sich von einem mitreißenden Orchesterklang tragen lassen wie einst die Reisenden auf einem Mississippi-Dampfer dies taten. 

 

Empfehlung!

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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