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CD FELIX MENDELSSOHN-BARTHOLDY: EIN SOMMERNACHTSTRAUM – Ouvertüre und Bühnenmusik für Erzähler, zwei Soprane, Frauenchor und Orchester; harmonia mundi

21.06.2025 | cd

CD FELIX MENDELSSOHN-BARTHOLDY: EIN SOMMERNACHTSTRAUM – Ouvertüre und Bühnenmusik für Erzähler, zwei Soprane, Frauenchor und Orchester; harmonia mundi

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Pablo Heras-Casado und das Freiburger Barockorchester laden an den sommerlichen Hof in Athen, zu wundersamen Elfen und verzauberten Wäldern

Die Schlegel-Tiecksche Übersetzung von William Shakespeares Komödie „A Midsummer Night’s Dream“ muss auf den siebzehnjährigen Felix einen unvergesslichen Eindruck gemacht haben. Dazu kam die musikalische Begegnung mit Carl Maria von Webers Oper „Oberon“, uraufgeführt 1826 in London, deren Ouvertüren-Premiere in Berlin Mendelssohn bereits 1825 als Geiger mitgestaltete.

Diese Erlebnisse veranlassten den jungen Mendelssohn, eine prächtige Konzertouvertüre (Op. 21) zu schreiben, zuerst einmal für Klavier vierhändig. Anfang 1827 folgte die instrumentierte Fassung für Orchester dieser Tondichtung in Sonatenform. Da reiben Waldgeister in frühromantischer Duftigkeit ihre zart durchsichtigen Flügel, deren silberner Glanz dem Shakespear’schen Neumond zum Trotz zumindest musikalisch schimmern darf. Da tummelt sich das Elfenkönigspaar Oberon und Titania gar nicht inkognito, begegnen wir Herzog Theseus und Hippolyta, irren die Liebespaare Hermia und Lysander sowie Helena und Demetrius im nächtlichen Wald und verulken Handwerker im sogenannten Rüpeltanz eine Bühnenprobe der Theatergruppe von Quince und Bottom. Letzterer hat natürlich seine berühmten Eselsrufen parat.

Unabhängig von dieser „Ouvertüre“ und doch atmosphärisch wie aus einem Guss mit selbiger komponierte Mendelssohn Ende 1842 auf Anregung vom Widmungsträger der Ouvertüre, Friedrich Wilhelm IV, als Schauspielmusik zum „Sommernachtstraum“ Intermezzi, ein Notturno, die Bergamaska und nicht zu vergessen den berühmtem Hochzeitsmarsch, Lieder, Chöre und etliche Melodramen. Insgesamt 14 Nummern sind es. Die Texte in englischer Sprache werden etwa in der Aufnahme von Sir John Eliot Gardiner (LSO live) auf mehrere Schauspieler verteilt. In der vorliegenden Version hat man überwiegend deutsche Texte gewählt und sie einem einzigen Akteur anvertraut.

Der Berliner Schauspieler, Autor und Sprecher einer riesigen Audiografie Max Urlacher hat schon in der Rolle des Samiel in Carl Maria von Webers „Freischütz“ (musikalische Leitung René Jacobs) seine musikdramatische Gabe für gespenstisch nächtlichen Spuk und romantisch düsteren Schabernack unter Beweis gestellt. Hier schlüpft dieser mit allen erzählerischen Wassern gewaschene Wortmagier in die Rollen von Erzähler, Lysander, Demetrius, Troll, Puck und Oberon, um nur einige zu nennen. In theatralischer Lust passt Urlacher seine modulationsfähige Stimme an die einzelnen Charaktere an. Mit märchenhafter Drastik und triftigen Geräuschen bannt er die Hörerschaft. Die Fassung richtet sich nach den Übersetzungen von August Wilhelm Schlegel und Michael Köhlmeier in teils freier Adaption inkl. Aussprache durch den Sprecher selbst. Bei den letzten Versen des Pucks switcht Urlacher ins Englische.

Die musikalische Seite mit dem historisch informiert aufspielenden Freiburger Barockorchester, dem konkurrenzlosen Frauenchor des RIAS Kammerchors Berlin unter der musikalischen Leitung von Pablo Heras-Casado ist ein Traum, der Kinder und Erwachsene gleichermaßen entzücken wird. Flüssige Tempi, eine unbändige Spielfreude, kammermusikalische Durchhörbarkeit sind nur drei der Wesensmerkmale, die diese klangtechnisch audiophile Einspielung zu einem wahrlich zauberhaften Ereignis macht. Noch nie hat man so viele Details der gar prächtigen Instrumentierung (neben Streichern treiben elfische Hörner, festliche Trompeten, Posaunen, Soloflöten im Scherzo, Oboen, Fagott, Klarinetten, Ophicleide, Pauken) gehört, und das garniert mit einem Höchstmaß an Charme, Klangmalerei und artikulatorischem Schwung.

Selbstverständlich können die zwei Solopartien der ersten und zweiten Elfe mit Mi-Young Kim und Anna Erdmann aus dem Chor heraus hervorragend besetzt werden.

Ein Album, das uneingeschränkte Freude und beste Laune beschert. Aber warnen Sie eventuelle Nachbarn unter Ihnen: Beim Hochzeitsmarsch oder dem quirligen Finale ist die Versuchung groß, ausgelassen durch die Wohnung zu hüpfen.

 Kostprobe: https://youtu.be/hVYLShkqpCQ?si=TyrCypiaqxkZ0Bd0

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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