CD „FAIRYTALE“ – DUO ARNICANS, Werke für Cello und Klavier von PAUL JUON und JANIS KEPITIS; Prima Classics
Das von der lettischen Belcanto-Primadonna Marina Rebeka gegründete Label Prima Classics kümmert sich nicht nur um die bestmögliche Präsentation der Sängerin auf Tonträgern, sondern hat auch andere Künstler unter Vertrag, wie etwa den deutschen Cellisten Florian Arnicans und die lettische Pianistin Arta Arnicane. Das unter dem Signum Duo Arnicans gemeinsam auftretende Paar ist seit 2014 auf den internationalen Konzertpodien zu Hause. Im von ihnen bevorzugten romantischen Repertoire haben sie schon so manchen markanten wie nachhaltigen Footprint hinterlassen. So ist bei Solo Musica eine CD mit Sonaten für Cello und Klavier von Frédéric Chopin und Ernst von Dohnanyi erschienen.
Auf ihrem neuesten Album, programmatisch der „Fairytale“, Op. 8, von Paul Juon und der Suite für Cello und Klavier nach drei Episoden aus dem Märchen „Teufelsleben“ von Jānis Ķepītis nachempfunden, machen sie sich auf die Spur durch das kammermusikalische Schaffen des russisch-schweizerischen wie des sowjetisch-litauischen Tonsetzers.
Paul Juon studierte am Moskauer Konservatorium bei Arensky und Taneyev Komposition. In Berlin, wo Juon bis 1934 leben sollte, vervollständigte er seine Studien am Klavier bei Woldemar Bargiel, dem Halbbruder Clara Wiecks. Die sechs letzten Lebensjahre verbrachte er zurückgezogen in Vevey am Genfer See. Juons „Märchen“ betiteltes Op. 8 hat er in Freundschaft dem Berliner Geigenbauer Otto Möckel gewidmet. Solch knapp charakterisierende Beinamen hat Juon für seine absolute Musik öfter gewählt, nicht unbedingt aus Überzeugung an der Sache, aber um der mangelnden Fantasie und Vorstellungskraft eines Teils des Publikums auf die Sprünge zu helfen.
Seine einzige dreisätzige Sonate für Cello und Klavier Op. 54 aus dem Jahr 1912 ist motivisch und stilistisch tief in der russischen Romantik verwurzelt. Juon fügte nach Druckfassung zahlreiche Korrekturen betreffend Tempo und Dynamik, einzelne Noten und Akkorde bis hin zu ganzen Passagen ein. Diese revidierte Version liegt der vorliegenden Erstaufnahme zugrunde.
Jānis Ķepītis kann seine Studien in Paris nicht leugnen, so impressionistisch-französisch gefärbt geriert sich seine für Cello und Klavier bearbeitete Sonate für Harfe und Cello (1974). Als Komponist und Pianist arbeitete er für den litauischen Rundfunk sowie als Mitglied eines Klaviertrios. Er hinterließ Opern, Symphonisches und Vokalmusik. In der Suite „Drei Episoden aus des Teufels Leben“ (1959) ließ Jānis Ķepītis seinen ganzen Humor und vorlauten Witz über den einfach gestrickten, leichtgläubigen und dennoch maliziösen Charakter des Teufels der litauischen Folklore einfließen. In ersten mit „“Einem Spaziergang“ überschriebenen Satz trippelt und trappelt es, da latscht einer ziemlich tollpatschig daher. Nach einer „Romanze“ liefern sich Cello und Klavier in der „Humoresque“ in bester sowjetischer Komponistenmanier einen Wettlauf in Ironie und irreal-witziger Gangart.
Obwohl mit der Musik per se keine spezifische Erzählung verbunden ist, passt aus Sicht des Duos eine kleine traditionelle Gutenachtgeschichte gut zur Komposition: „Der Teufel kommt nächtens an einer Mühle vorbei und hört den Müller laut schnarchen. Fasziniert vom Klang des gurgelnden Getöses, geht er mit dem Müller einen Deal ein: Beibringen der Kunst des Schnarchens im Tausch gegen einen Hut voller Goldmünzen. Der schlaue Müller bohrte allerdings ein Loch in den Hut und das darunterliegende Fass, sodass der Teufel ganz schön was an Goldmünzen heranschaffen musste. Als der Teufel die Tricks des Schnarchens dennoch nicht erlernte, weil er wegen des eingezwickten Schwanzes nicht auf dem Rücken liegen wollte, kehrte er schließlich mit nichts in der Hand in die Hölle zurück, während der Müller ein reicher Mann war.
Auf dem Album hören wir außerdem Jānis Ķepītis‘ Serenade in D-Dur, ein Scherzo und die Romanze in A-Dur, leicht hingepinselte, sehnsuchtsvolle Stücke bzw. im Scherzo (1964) einen kleinen prokofiev-gershwinesken Spass.
Das Duo Arnicans erzählt die so launischen wie märchenhaften Klanggeschichten mit sonorer Stimme, einem tiefen Empfinden für Form, Struktur und subtile Klangfarben. Im Vordergrund steht natürlich das harmonische Aneinander wie keck dialogisierende Miteinander von Cello und Klavier, wobei die melodischen Bälle lustvoll aufgegriffen und von einem zur anderen akrobatisch gedribbelt werden. Das Album bietet außer schöner Musik das Kennenlernen einiger tonaler Stücke im spätromantischen Stil heute wenig bekannter Komponisten.
Dr. Ingobert Waltenberger