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CD: Exile. Patricia Kopatchinskaja, Thomas Kaufmann und die Camerata Bern Alpha-Classics, ALPHA1110

28.01.2025 | cd

Patricia Kopatchinskaja und die Camerata Bern erkunden die Musik der Entwurzelten

exi

Mit ihrer neuen CD für Alpha-Classics laden Patricia Kopatchinskaja, Thomas Kaufmann und die Camerata Bern zu einer faszinierenden Reise durch die musikalischen Welten des Exils ein. Das Programm vereint Werke von Komponisten, deren Leben von Flucht und Entwurzelung geprägt waren, und fragt: Kann Exil eine Quelle kreativer Inspiration sein? Kopatchinskaja und ihre Mitmusiker nähern sich dieser Frage mit Virtuosität, Emotionalität und einer großen Bandbreite musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten.

Das Album eröffnet mit dem anonymen Werk „Kugikly“, einer folkloristisch inspirierten Komposition, die den Hörer in archaische Klangwelten entführt.

Darauf folgt Alfred Schnittkes eindringliche Sonate für Cello und Klavier Nr. 1, in der Thomas Kaufmanns expressives Spiel die düstere Schwere und die zarte Melancholie der drei Sätze gleichermaßen zur Geltung bringt. Unterstützt wird er von Patricia Kopatchinskaja, die in diesem Werk den Bogen zwischen Solistin und musikalischer Leiterin spannt.

Mit dem moldawischen Volkslied „Cucuşor cu pană sură“ bringt das Ensemble eine Prise Lebendigkeit und tänzerische Energie in die Mitte des Programms. Vlad Popescus Beitrag an den traditionellen Instrumenten verleiht diesem Stück eine authentische Farbigkeit.

Andrzej Panufniks dreisätziges Violinkonzert bildet einen der Höhepunkte des Albums. Kopatchinskaja gestaltet die schwebenden Melodien mit fein abgestimmten Rubato, die unergründliche Tiefe des Adagios und die tänzerische Virtuosität des Vivace mit bestechender Präzision, klanglicher Intensität.

Einen überraschenden Kontrast bietet Franz Schuberts Menuett Nr. 3 aus den 5 Menuetten and 6 Trios für Streichquartett, dessen kammermusikalischer Charme trotz der Schlichtheit ein hohes Maß an emotionaler Dichte vermittelt.

Eine echte Rarität ist Iwan Wyschnegradskys Streichquartett Nr. 2. Hier beweist die Camerata Bern ihre Vielseitigkeit, indem sie die komplexen Viertelton-Klangstrukturen mit Leichtigkeit und Klarheit umsetzt.

Den Abschluss bildet Eugène Ysaÿes „Exil! Poème Symphonique“, ein Stück von starker Trauer und gleichzeitiger Hoffnung, das die thematische Klammer des Albums eindrucksvoll schließt.

Patricia Kopatchinskaja erweist sich einmal mehr als eine der kreativsten und mutigsten Musikerinnen unserer Zeit. Ihre Darbietung vereint technische Brillanz mit Emotionalität, die den Hörer unmittelbar berührt. Thomas Kaufmanns Spiel auf dem Cello steht dem in nichts nach; er brilliert insbesondere in Schnittkes Sonate mit einem intensiven, nuancierten Ton. Die Camerata Bern, ein Ensemble, das seit jeher für seine Präzision und seine Offenheit gegenüber experimentellen Projekten bekannt ist, begleitet die Solisten mit einer bemerkenswerten Homogenität und Flexibilität. Die Fähigkeit des Orchesters, sich den unterschiedlichsten stilistischen Anforderungen der Werke anzupassen, ist bewundernswert.

Dieses Album ist weit mehr als eine bloße Zusammenstellung musikalischer Exil-Werke: Es ist eine eindrucksvolle Erzählung von Schmerz, Sehnsucht und künstlerischer Transformation. Patricia Kopatchinskaja, Thomas Kaufmann und der Camerata Bern gelingt es, diese Thematik in ihrer ganzen Vielschichtigkeit erfahrbar zu machen – bewegend, inspirierend und künstlerisch von höchster Qualität.

Dirk Schauß, im Januar 2024

 

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