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CD ETERNITY – GÜLRU ENSARI und HERBERT SCHUCH mit Musik für Klavier vierhändig bzw. für zwei Klaviere von Schubert, Messiaen, Brahms und Beethoven; naive

23.03.2024 | cd

CD ETERNITY – GÜLRU ENSARI und HERBERT SCHUCH mit Musik für Klavier vierhändig bzw. für zwei Klaviere von Schubert, Messiaen, Brahms und Beethoven; naive

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„Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins hinzubringen, als Lorbeer, ein wenig dunkler als alles andere Grün, mit kleinen Wellen an jedem Blattrand (wie eines Windes Lächeln) -: warum dann Menschliches müssen – und, Schicksal vermeidend, sich sehnen nach Schicksal?..“ Rainer Maria Rilke, Duineser Elegien, IX

Was ist Ewigkeit? Etwas Benennbares, aber nicht Erfassbares, etwas ohne Anfang und ohne Ende, religiös oder naturwissenschaftlich konnotiert. Oder man nähert sich so an, wie der Philosoph Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus festhielt: „Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt.“

Das auch privat verbundene Pianistenpaar Gülru/Schuch denkt bei „Eternity“ „an eine gefühlte Wahrheit“ und präzisiert „den Moment des Hörens, des Eintauchens in dieses Album als Teil der Ewigkeit zu erleben, das wollen wir mit ‚Eternity‘“. Vielleicht ist Ewigkeit der intensivst imaginierte Augenblick, etwas als unvergänglich Empfundenes, etwas, das sicher auch beim konzentrierten Hören von Musik erahnt werden kann.

Ich höre das neue Album, vor allem die Ausschnitte aus Olivier Messiaens „Visions de l’Amen“ (1943) für zwei Klaviere und Beethovens Große Fuge in B-Dur Op. 134, in Beethovens eigenem, kurz vor seinem Tod erarbeiteten Arrangement des berühmten Streichquartettes für Klavier vierhändig und erinnere mich an die gelungene CD-Präsentation im Berliner Pianosalon Christophori am 7.3.

Da standen in dieser Berliner Institution ein Bösendorfer und ein Steinway Flügel zur Verfügung. Angereichert und geedelt war das genießerische wie klug durchdachte musikalische Programm mit einer Doppel-Rezitation der neunten Duineser Elegie von Rainer Maria Rilke (als Anregung im Booklet des Albums abgedruckt) durch den ganz und gar phänomenalen Schauspieler und Synchronsprecher Dietmar Wunder (er leiht seine Stimme etwa den Mimen Adam Sandler oder Daniel Craig). Wunder zitierte die gesamte Elegie nach Messiaen und nach der Pause nochmals zwischen den Brahms-Variationen auf ein Thema von Schumann in Es-Dur, Op. 23 und Beethovens „Großer Fuge.“ Der Grund, warum ich das so ausführlich erwähne, liegt darin, dass durch die Musik und den jeweiligen Zusammenhang die Worte Rilkes und der Tonfall von Dietmar Wunder völlig verschieden waren. Der Augenblick als einzig mögliche Wahrheit? Johannes Heiner notierte zu Rilke im März 2004: „Rilke geht davon aus, dass die wichtigen Dinge im Leben nicht mit den normalen Augen zu erfassen sind; erst die Versenkung ins Innere eröffnet einen ‚Raum‘, in dem sie sich zeigen, wie sie wahrhaft sind. Allgemeiner gesprochen, vermisst Rilke an der Gegenwart, dass sie ‚keine Tempel mehr kennt‘ (7. Elegie). Sie müssen von neuem erbaut werden. Aber dieses Mal müssen sie im Innern des Menschen errichtet werden. Dann werden sie unzerstörbar sein.“

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Foto Nikolaj Lund

Zum Programm kann hinterfragt werden, warum dieser Werke gewählt wurden und keine anderen. Herbert Schuch erklärt das damit, dass er mit der Zusammenstellung eine musikalische „Grenzerfahrung anstrebt, die sich zwischen Nacht und Licht, zwischen Chaos und himmlischer Schönheit“ (wie in dem von Brahms variierten ‚Engel-Thema‘ von Schumann) entfalten kann. Ob in Todesnähe destillierte Sehnsucht in Schuberts f-Moll Fantasie, Messiaens die Zeit zum Stillstand bewegen wollenden „Visions de l’Amen“ oder Beethovens exzentrische Fuge, die Jahrhunderte an kommender musikalischer Entwicklung anzudeuten scheint (Das Klavierduo: „Es gibt Passagen, die fast wie eine Vorahnung einer Heavy Metal Musik klingen und kurz darauf wieder wie eine frei Jazz-Improvisation“), das Album bietet reichlich Futter, Bekanntes und vielleicht weniger Populäres durch ihre spezielle Kombination neu zu erfahrbaren (auch als Folge der stets unverwechselbaren Apperzeption des Augenblicks) und sich wieder einmal der Faszination der reizvollen Formate von Klavier zu vier Händen bzw. Musik für zwei Klaviere zu verschreiben. Zumal das Duo Ensari/Schuch eine im Miteinander sich unglaublich potenzierende Anschlagsvielfalt und eine ebenso zündende emotionale Dichte an den Tag legt. Als Höhepunkt des Albums möchte ich besonders Ludwig van Beethovens späten Kosmos empfehlen, wo die kühnen polyphonen Strukturen, die aufgeraut granitene Klangsprache, die Freiheit der Invention ihre Entsprechung in einer wahrlich epochalen Interpretation finden.

Weitere Termine für Eternity CD-Präsentationen:

4.4.: Heidelberg – Aula der Universität

5.4. München -Ludwig Beck

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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