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CD: ERNST WILHELM WOLF: CHRISTMAS CANTATAS – Kölner Akademie, Michael Alexander Willens

29.12.2022 | cd

CD: ERNST WILHELM WOLF: CHRISTMAS CANTATAS – Kölner Akademie, Michael Alexander Willens

wolf

Zeugnisse einer wohl bestallten Kirchenmusik

Eine «wohl bestallte» Kirchenmusik war im Mitteldeutschland des 18. Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit. In den grösseren Städten wurden wöchentlich neue Kantaten aufgeführt, in Kleineren zu den hohen kirchlichen Feiertagen wie Ostern und Weihnachten.

Auf der vorliegenden CD sind vier Weihnachtskantaten des Thüringers Ernst Wilhelm Wolf versammelt. 1735 geboren, besuchte Wolf zunächst die Gymnasien in Gotha und Eisenach. Schon früh zeigte sich seine Affinität zur Musik und so arbeitete nicht erst seit dem Studium ab 1755 in Jena als Leiter des Collegium musicum sondern schon in Eisenach als Chor-Präfekt. Über Leipzig und Naumburg kam Wolf nach Weimar, wo Herzogin Anna Amalia auf ihn aufmerksam wurde und nach Kräften förderte, und ihm immer wieder neue Positionen verschaffte. Bei seinem Tod 1792 hatte er über dreissig Jahre das musikalische Leben Weimars intensiv geprägt und dem Hof die Treue gehalten. Selbst ein Angebot Friedrichs des Zweiten, in dessen Dienste zu treten, lehnte er dankend ab. Und auch Goethe, der Wolf als Komponisten ablehnte, konnte ihn 1781 nicht verdrängen. Musikalisch durch Carl Philipp Emanuel und Carl Heinrich Graun geprägt, wurde Wolf als produktiver Komponist von seinen Zeitgenossen durchaus geschätzt. Wolfs Kantaten zeigen Elemente der Frühklassik und des empfindsamen Stils: die Kantatenchöre sind oft homophon und liedhaft gestaltet, polyphone Abschnitte kommen eher selten vor.

Die Kantate zum 1. Weihnachtstag «Auf, jauchzet, ihr Christen» und Kantaten zum 2. Weihnachtstag «Willkommen, du sehnlich erbetener Tag» und «Seid böse, ihr Völker» sind nicht näher zu datieren. Einen überdurchschnittlichen Umfang, fast oratorische Ausmasse, weist die Kantate zum 1. und 2. Weihnachtstag «Willkommen, du schönster der Tage» auf. Der Umfang dürfte darin begründet sein, dass die Kantate als Huldigungsmusik und Gemeinschaftsproduktion der am Hof tätigen Künstler an einen neugeborenen Fürsten entstand und dann, so legt es eine Abschrift aus Olbernhau im Erzgebirge nahe, für das Weihnachtsfest adaptiert wurde.

Michael Alexander Willens wählt mit der Kölner Akademie ausgesprochen differenzierte Tempi. Die Chöre nimmt er mit grossem Drive und Prunk, in den Rezitativen und Arien nimmt er das Orchester zu Gunsten perfekter Textverständlichkeit zurück. Georg Poplutz nennt einen hellen, farbigen Tenor sein eigen, Matthias Vieweg einen jugendlich-frischen Bariton. Beate Mordal führt ihren Sopran fast etwas zu dramatisch. Elvira Bill und Andrey Akhmetov ergänzen das tadellose Ensemble

Eine interessante Repertoire-Erweiterung!

29.12.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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