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CD „EPIC“ – STÉPHANE DEGOUT singt Lieder & Balladen von SCHUBERT, LOEWE, SCHUMANN, BRAHMS, LISZT und WOLF; harmonia mundi

11.04.2020 | cd

CD „EPIC“ – STÉPHANE DEGOUT singt Lieder & Balladen von SCHUBERT, LOEWE, SCHUMANN, BRAHMS, LISZT und WOLF; harmonia mundi

 

Der französische Kavaliersbariton Stéphane Degout ist Opernfreunden als hervorragender Interpret französischer Barockopern, aber auch als markiger Figaro Graf, liebeswirrer Guglielmo, oder in dramatischeren Rollen, etwa als Posa in Verdis Don Carlo oder Wolfram in Wagners Tannhäuser ein Begriff. Auf der vorliegenden CD stellt er sich als Balladensänger von Gnaden im deutschen Fach vor. Da geht es vorrangig um das Erzählen von meist grausigen und furchterregenden Geschichten, entsprechend bedarf es eines die Drastik hervorkehrenden, auf eine perfekt Diktion gestützten Vortrags und einer entsprechend expansionsfähigen mächtigen Stimme. In den überwiegend durchkomponierten Kunstliedern wird jeder Vers und die Bedeutung der Wörter von der begleitenden Melodie reflektiert. 

 

Stéphane Degout beginnt in Franz Schuberts „Zwerg“ zwar noch etwas mulmig, in den Piani der ersten und zweiten Strophe rutscht die Stimme ein wenig nach hinten. Aber die beklemmende Story um diesen grausamen Zwerg, der auf einer Seefahrt seine geliebte Königin tötet, transportiert Degout mit Dichte und Versenkung in den Gehalt der gruseligen Poesie (Matthäus von Collin). Dégouts enorme Stärke erweist sich in den dramatischen Steigerungen und Höhepunkten.  Da vermag sein dramatischer Bariton opernhaft aufzutrumpfen und letzte Reserven zu mobilisieren. Der Schluss von Carl Loewes „Edward“ geht so in ihrer existenziellen Erschütterung durch Mark und Bein: „Der Fluch der Hölle soll auf Euch ruhn, Mutter, Mutter! Der Fluch der Hölle soll auf Euch ruhn, denn ihr, ihr rietet‘s mir! O.“  Sie hatte zuvor ihren Sohn Edward dazu angestiftet, den Vater mit dem Schwert zu töten. 

 

Robert Schumann ist mit den Heinrich Heine Vertonungen von „Belsatzar“ und „Die beiden Grenadiere“ vertreten. Stéphane Degout gelingen eindringliche musikalische Panoramabilder des von der Menge getöteten babylonischen Herrschers als auch der zwei besiegten französischen Soldaten, die auf ihrer Rückkehr aus Russland durch Deutschland kommen und die Gefangennahme Napoleons mit einem Zitat aus der Marseillaise beklagen.

 

Franz Liszt ist der Schwerpunkt des Albums gewidmet. Er kommt nicht nur mit den zwei faszinierend interpretierten deutschsprachigen Balladen „Dei drei Zigeuner“ und „Es war ein König in Thule“, sondern auch mit den berühmten  „Tri sonetti di Petrarca“ in der ersten Fassung aus dem Jahr 1840 zu Gehör. Degout gefällt mir hier wesentlich besser als Andre Schuen in seiner Neuaufnahme. Mit viriler Kraft, kernigem Ton und glühender Passion gestaltet Degout diese Liebesschwüre. Die mediterrane Klanglandschaft ersteht aus der flirrenden Hitze eines leidenschaftlichen Herzens. Der Hörer darf wohl mit den Versen fühlen, wenn Petrarca endet: „Und alles schmiegte solchem Wohllaut sich geschwinde, kein Blättchen am Baume durfte sich bewegen, so süß befangen, so lauschten da Lüfte und Winde.“

 

 

Am bezwingendsten und wahrlich atemberaubend gerät Hugo Wolfs bekannte Ballade „Der Feuerreiter“ nach einem Gedicht von Eduard Mörike. Der wilde Feuerreiter will das vom Teufel gelegte Feuer in einer Mühle löschen und verbrennt selbst dabei. „Schaut! Da sprengt er wütend schier durch das Tor, der Feuerreiter, auf dem rippendürren Tier, als auf einer Feuerleiter querfeldein! Durch Qualm und Schwüle rennt er schon und ist am Ort.“… Nach der Zeit ein Müller fand ein Gerippe samt der Mützen aufrecht an der Kellerwand auf der beinern Mähren sitzen: Feuerreiter wie so kühle reitest du in deinem Grab!“ Diese Ballade darf von der Intensität der musikalischen Eingebung, den stimmlichen Ansprüchen  an den Sänger als auch vom Schwierigkeitsgrad der Klavierbegleitung als ein Solitär und Höhepunkt der Gattung gelten. Als adäquater Partner am Flügel erweist sich nicht nur hier der britische Begleiter Simon Lepper.

 

Von Johannes Brahms hat Degout zwei Duette ausgewählt: „Edward“ aus den Vier Duetten Op. 75, wo Dame Felicity Palmer als hinterhältige Mutter mit ihrem ,Sohn‘ Edward in einen Dialog um das bluttriefende Schwert tritt. „Die Nonne und der Ritter„ nach einem Text von Eichendorff stammt aus den Duetten Op. 28. Hier leiht Marielou Jacquard ihren schönen Mezzosopran dem souveränen Duettpartner Stéphane Degout. 

 

Fazit: Ein tolles hochdramatisches Grusel-Balladenalbum, das opernhafte Geste mit romantisch-lyrischer Verinnerlichung eint. Der französische Bariton ist auf dem Höhepunkt seiner stimmlichen Möglichkeiten. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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