CD ENGELBERT HUMPERDINCK „DER BLAUE VOGEL“ – Schauspielmusik nach einem Weihnachtsmärchen von Maurice Maeterlinck; Capriccio
Weltersteinspielung: Juri Tetzlaff (Sprecher), Steffen Tast dirigiert den Rundfunkchor und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Die Holzfäller-Geschwister Mytyl und Tyltyl machen sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen blauen Vogel, der Traurigkeit heilen kann. Auf den Weg geschickt von einer Fee, begleitet sie ein schwarzer spitzer Hut mit einem leuchtenden Diamanten. Der wiederum ist Garant für so manch zauberische Begebenheit. Tiere, Pflanzen und Gegenstände erwachen. Die Kinder verstehen flugs deren Sprache, wenn sie den Hut tragen und am Stein drehen. Dann sehen sie hinter die Fassade und können die wahre Seele der Dinge erkennen.
Ihre abenteuerliche Reise führt die beiden Unerschrockenen ins Reich der Erinnerungen, wo sie auf die verstorbenen Großeltern treffen, zum Palast der Nacht und durch einen Wald. Schließlich finden sie Verbündete im Zuckerprinz und der Lichtkönigin. Aber: Nirgendwo ist der blaue Vogel zu sichten. Als sie nach einem Jahr zurückkommen, stellen sie fest, dass nur eine Nacht vergangen war. Im schon lange von Tyltyl gehaltenen Vogel entdecken sie das heilbringende Federvieh. Das kranke Nachbarskind wird wieder heiter. Der Vogel verschwindet nach getaner Arbeit.
Max Reinhardt stand am Anfang dieser Geschichte. Er war es, der die fantasievolle Weihnachtserzählung des belgischen Dichters für die Bühne des Deutschen Theaters Berlin mit Szenenmusik von Engelbert Humperdinck einrichtete. Premiere des Weihnachtsmärchens für Kinder war am 23.12.1912.
Oder halt: War es nicht zuerst P.I. Tchaikovsky, der mit seinem Ballett „Der blaue Vogel und Prinzessin Florine“ das wundersame Wesen des Blauen Vogels wieder in Erinnerung rief? Oder half nicht auch der russische Regisseur Stanislawski, der den „L’Oiseau bleu“ 1908 am Moskauer Künstlertheater erfolgreich herausbrachte, Maeterlincks Erzählung zu verbreiten? Die schöne Geschichte war 1975 auch Pate eines Films als einziger Kinokoproduktion zwischen den USA und der Sowjetunion mit Elisabeth Taylor, Jane Fonda und dem Clown Oleg Popow in Hauptrollen.
Die vorliegende Aufnahme markiert die Ersteinspielung der Partitur. Steffen Tast, Geiger im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, aber auch findiger Dirigent, Kammermusiker und Begründer des faszinierenden Projekts „Dorf macht Oper“ hat die Partitur aus dem Dornröschenschlaf geküsst. Von Humperdinck 1910 geschrieben, blieben die Noten ungedruckt im Nachlass des Komponisten liegen, weil sich der Herausgeber der Schriften von Maurice Maeterlinck und der Verlag von Humperdinck nicht auf gemeinsame Konditionen einigen konnten.
Die Einspielung ist wahrlich zauberhaft geworden. Da ist einmal die einfühlsame, romantisch-lautmalerische Musik, die unsere Gedanken durch fantastische Welten und Bilder wandern lässt und qualitativ derjenigen von „Hänsel und Gretel“ kaum nachsteht.
Dann ist da vor allem Juri Tetzlaff mit der so lebendig die Geschichte verkündenden Honigstimme, seines Zeichens Fernsehmoderator und schönes Gesicht des Kinderkanals Kika. Man kann gar nicht genug davon bekommen, ihm in seinem modulationsreichen Vortrag zuzuhören.
Und schließlich sind der exzellente Rundfunkchor und das in 1000 und einer Nachtlaune aufspielende Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zu nennen, die mit Liebe bei der Sache sind und der weihnachtlichen Story und ihrem kongenialen Erzähler einen bunten Klangteppich weben. Jedes Kind und auch so mancher Erwachsene werden liebend gerne darauf Platz nehmen und damit ins Zauberland und zum Palast der Fee fliegen wollen, um die Schrecken aber auch die Schönheiten der Nacht kennenzulernen, der Amsel oder den Mondvögeln zu lauschen bzw. von der Ferne die Glocken des Dorfes läuten zu hören.
Die CD ist ein traumhaftes Weihnachtsgeschenk für kleine und große Kinder, aber auch alle Intendanten fern und nah sollten die Aufnahme kennen, denn dann wissen sie, was sie für Weihnachten 2023 auf ihren Spielplan setzen werden.
Die Doppel-CD überrascht als Bonus mit den „Sieben symphonischen Bildern“ aus der Schauspielmusik zu “Der blaue Vogel“. Die Textversion stammt von Juri Tetzlaff und Steffen Tast.
Dr. Ingobert Waltenberger