CD-Empfehlungen von herausragenden aktuellen Einspielungen barocker musikalischer Kostbarkeiten für Ostern oder andere schöne Gelegenheiten
CD JOHANN SEBASTIAN BACH: VIOLINKONZERTE, Sinfonias, Ouvertüren und Sonaten, ISABELLE FAUST, Akademie für Alte Musik Berlin, harmonia mundi
Isabelle Faust, eine der interessantesten deutschen Geigerinnen der Jetztzeit, tut wieder genau das, was sie kam besten kann: nämlich mit dem Spiel von Bachs drei meisterlichen Violinkonzerten BWV 1041-1043 den Hörer in barocken Wonnen baden zu lassen, mit flinkem Bogen und noch schnellerem Lauf. Hat mich Frau Faust kürzlich beim Mendelssohn Violinkonzert eher enttäuscht, weil die historisch vielleicht korrekte, aber allzu gerade Tonproduktion jegliches romantische Momentum vermissen ließ, so ist hier das Gegenteil zu konstatieren. Schlank und beweglich rauschen die Verzierungen durch die Lüfte, auch überträgt sich die Lust der Virtuosin an den kontrapunktischen Verästelungen direkt auf den Musikfreund.
Dabei ließ es Isabelle Faust aber nicht bewenden. Sie wollte auf dem 2 CD starken Album alle Möglichkeiten und die Vielfalt Bach‘scher Kompositionen für Violine ausloten und in den Varianten Triosonaten, Sinfonias, Doppelkonzerte und Ouvertüren vorführen. Ihre Mitstreiter Bernhard Forck (Violine), Xenia Löffler (Oboe und Blockflöte), Ian Freiheit (Cello), Raphael Alpermann (Cembalo) und die Akademie für Alte Musik Berlin sind mit der experimentierfreudigen und interpretatorisch innovativen Geigerin ein Herz und eine Seele. Großartig!
Dr. Ingobert Waltenberger
CD: LONDON circa 1700 Vol.1 – PURCELL & his Generation, LA REVEUSE Bolton & Benjamin Perrot, MIRARE
Henry Purcell wird Opernkennern ein Begriff sein wegen so einzigartiger Bühnenwerke wie „Dido & Aeneas“ oder „King Arthur“. Auch die „Trauermusik für die Königin Maria“ als reine Instrumentalmusik wurde oftmals auf CD eingespielt. Mit dem neuen Album will das exzellente französische Ensemble „La Rêveuse“ in einer Reihe von Veröffentlichungen die Geschichte der Londoner Kammermusik nachzeichnen. Ende des 17. Jahrhunderts war London auf dem Höhepunkt der wirtschaftlichen Expansion, eine Stadt sozusagen, aus dem der Stoff der Träume gemacht ist. Theater und Konzerte waren voll, die Musikverlage erlebten eine Hochkonjunktur. Daher war London damals hochattraktiv nicht zuletzt für ausländische Komponisten, die sich in großer Zahl in der englischen Metropole niederließen. Das schuf den Nährboden für die Herausbildung eines genuinen englischen Musikstils, der sich aus allen europäischen Richtungen, besonders aber aus Italien, speiste.
Und wie das damals so war in London, ist auf der neuen CD nachzuhören. Neben zwei feinsinnigen Sonaten Henry Purcells sind auch ebenso delikat gearbeitete Kammermusikstücke von Godfrey Finger, Giovanni Battista Draghi, John Blow, Daniel Purcell und William Croft zu entdecken. Die französischen Musiker lassen keinen Wunsch an Artikulation, bis ins Kleinste perfekt abgestimmtem Miteinander und klanglichem Feinschliff offen. Ein Album für musikalische Feinschmecker!
CD „SOAVE E VIRTUOSO“ – Flötenkonzerte von Tartini, Vivaldi und Sammartini – ALEXIS KOSSENKO, LES AMBASSADEURS, Aparte Music
Obwohl in der Zeitspanne 1700 bis 1750 Italien wohl primär das Land der Musik für Violine war, wurden auch kurzweilige und das Gemüt anregende Stücke für Orchester und Soloflöte geschrieben. Der Oboist Giuseppe Sammartini etwa ist auf dem neuen Album des in Nizza geborenen Flötisten und Dirigenten Alexis Kossenko mit einem Konzert für Sopranblockflöte in F-Dur vertreten. Der mit Venedig so untrennbar verbundene Antonio Vivaldi ist Autor von zwei theatralisch-beschwingten, hochvirtuosen Konzerten für Blockflöte und Sopranblockflöte. Der langsame Satz des Konzertes RV 443 ist eine sanfte Träumerei und evoziert die auf dem Wasser blinkenden und schwappenden Reflexionen des Sonnenuntergangs.
Drei Konzerte und damit den Löwenanteil der CD nehmen drei Konzerte für Querflöte und Orchester von Giuseppe Tartini ein. Wer schon einmal im slowenischen Piran war, dem kann die überlebensgroße Bronzestatue des Komponisten und Teufelsgeigers auf dem nach ihm benannten Platz aus dem Jahr 1896 nicht entgangen sein. Auf dem Platz befindet sich das Geburtshaus Tartinis. Mit Tartini gewinnt der Begriff der Virtuosität neues Profil. Weder rasante Tempi noch technische Vertracktheit oder markante Rhythmen sind mehr ihr Markenzeichen, sondern die bewegte Sanglichkeit und fein ziselierte Anmut der Verzierungen. Alexis Kossenko beweist nicht nur, dass er ein Meister der verschiedenen Instrumente ist, sondern beeindruckt durch hohe Musikalität und Stilsicherheit, die dennoch nie historisch wirkt. Ein Vergnügen!
Dr. Ingobert Waltenberger
CD „Mr. Handel‘s Dinner“ Georg Friedrich Händel & Friends, Musiken für Opernpausen – MAURICE STEGER, LA CETRA BAROCKORCHESTER BASEL, harmonia mundi
Zur Abwechslung haben wir es einmal mit einem intelligent zusammengestellten Programmalbum zu tun. Händel scharte auf dem Höhepunkt seines Ruhms die besten Musiker Londons um sich, um die langen Pausen zwischen den einzelnen Akten seiner Opern gemeinsam schlemmend zu verbringen. Musikalische Einlagen, wie die auf der CD vorgestellten, begleiteten diese für heutige Begriff unglaublich prunkvollen Dinner.
Der ungekrönte König der Blockflöte, Maurice Steger, hat unter diesen Aspekten eine Auswahl an Konzerten, Sonaten und Chaconnes zusammengestellt, Lieblingsstücken von Händel kombiniert mit Werken aus seinem engeren Umkreis, wie das Flötenkonzert in G-Dur von Francesco Geminiani oder ein Konzert von William Babell. Gottfried Finger ist mit dem knapp vierminütigen „A Ground“ vertreten. Händels Konzert in F-Dur HWV 293 wurde im Rahmen einer Aufführung des Oratoriums „Deborah“ als Stück für Orgel und Orchester präsentiert. Alle vier Sätze basieren auf einer Sonate für Blockflöte und Basso Continuo. Auf der CD ist eine Kombination von beiden zu hören: Als Soloinstrument spielt die Blockflöte, deren Partie in den Orchestersatz des Orgelkonzerts eingebettet ist. Die „Suite de danse“ hat Maurice Steger einer von Händel vielfach gepflegten Praxis folgend aus Ballettsätzen von dessen erster, noch in Hamburg entstandener Oper „Almira, Königin von Kastilien“ zusammengestellt.
Maurice Steger überwältigt mit seiner technischen Bravour und den vielfältigen Klangfarben und lässt völlig vergessen, dass das Instrument der Blockflöte als ideales Einstiegsinstrument für Kinder äußerst beliebt ist. Das Programm der CD ist wahrlich kulinarisch anregend. Wer einmal davon probiert hat, will immer mehr davon. Suchtgefahr, ohne ein Gramm zuzunehmen.
Dr. Ingobert Waltenberger