CD ELINA GARANCA singt Lieder von ROBERT SCHUMANN und JOHANNES BRAHMS; Deutsche Grammophon
Wäre hätte das gedacht? Ausgerechnet bei Liedern von Johannes Brahms scheint die baltische Mezzosopranistin mit dem kühl glatten Glamour eines Hollywoodstars der vierziger Jahre die goldrichtige Balance zwischen Gesangstechnik, Diktion und emotionaler Versenkung gefunden zu haben. Nicht zu überhören ist, dass Garanca trotz aller feiner Differenzierung und wortnaher Ausdrucksintensität eine veritable Opernsängerin ist, die bei dramatischen Liedern auch den großen theatralischen Ton nicht scheut.
Was bei dem heiklen Schumann-Zyklus “Frauenliebe und Leben“ sofort einnimmt, ist die Natürlichkeit des Vortrags und der Phrasierung, sensibel angeschmiegt an die Lyrik Adalbert von Chamissos, final die völlig unbefangene Erzählkunst der Sängerin. Wir haben es nicht mit der hochdramatischen Wucht und vom Ende her gelesenen schicksalshaften Auflehnung á la Brigitte Fassbaender zu tun, sondern mit einer Abfolge von acht Liedern, die einen ganz persönlich erlebten Bogen über diese wie viele andere tragische Liebesgeschichte spannen.
Der schottische Pianist Malcolm Martineau trägt wenig an Eigenduftmarke bei, sein betont bedächtiger Vertrag hält sich (allzu) dezent im Hintergrund. Eine nur auf die Interpretin Bedacht nehmende Begleitung ist bei Schumann nicht genug. Da wäre mehr an forderndem Dialog der beiden, an dialektischer Spannung zwischen Klavier und Stimme gefragt gewesen. Leider erklingt auch das Nachspiel zu ”Nun hat du mir den ersten Schmerz getan” seltsam neutral. Das ist Achillesferse an dieser ganz wunderbaren Interpretation, die sich stimmlich zu den großen zählen darf.
Das erste der dreizehn ausgewählten Lieder von Johannes Brahms eröffnet mit “Liebestreu” vokal mächtig die Bühne. Im Gegensatz dazu hüllt Garanca “Heimweh II” in fein vibrierendes Mezzavoce, die die vielfältigen Seelenregungen prismatisch auffächern, die den lieben Weg zum Kinderland zurückspinnen wollen, um das verlorene Glück noch einmal erleben zu können. “O kühler Wald” in chromatisch hochromantischen Wagner’schen Harmonien und das sich in wild ungestümen Naturklängen erhebende “Verzagen” sind Meisterstücke an poetischer Kraft und Verinnerlichung zugleich, von Garanca zu kleinen bewegenden Dramen geedelt. Dazu zählt auch “O liebliche Wangen”, ein wunderbar in erregenden Rhythmen zelebrierter Hymnus, der rauschhaft die unstillbare Sehnsucht der Heldin in eine drängende Apotheose kulminieren lässt. Erstaunlich, wie sehr Elina Garanca in der nunmehrigen am Zenit befindlichen Phase ihrer Opern-Karriere (wo sich Hochdramatisches wie die Kundry ankündigt) in diesem exzeptionellen lyrischen Album an luxuriösen Stimmfarben feinst abzumischen vermag, wie rauchig dunkle Töne die metallische Grundierung in “Die Mainacht” durchziehen. In der unteren Mittellage erinnert mich Garanca von Klang und Stimmschönheit immer mehr an Sena Jurinac, von der ich ein ganz wunderbares Vinyl-Album an Brahms Liedern (mit Georg Fischer am Klavier) als besonderen Schatz meiner Sammlung hüte. Den Abschluss der CD bildet stimmprächtig triumphierend “Von ewiger Liebe”.
Wir können nur hoffen, dass Universal Music Elina Garanca noch öfter die Gelegenheit gibt, neben der Oper mit weiteren Lied-Alben eine andere bedeutende Facette ihres Wirkens für alle Ewigkeit zu bewahren.
Dr. Ingobert Waltenberger