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CD: Edvard Grieg Klavierkonzert a-moll, op. 16 Camille Saint-Saëns Nr. 2 g-moll, op.22 Suzana Bartal, Klavier Saarländisches Staatsorchester Sébastien Rouland, musikalische Leitung Channel Classics, CCS47825

17.10.2025 | cd

Edvard Grieg Klavierkonzert a-moll, op. 16, Camille Saint-Saëns Nr. 2 g-moll, op.22. Suzana Bartal, Klavier. Saarländisches Staatsorchester. Sébastien Rouland, musikalische Leitung. Channel Classics, CCS47825

Bartal verbindet Fjord und Salon – wie Grieg tanzt und Saint-Saëns charmant kontert

arta

Manche Klavierkonzerte sind wie alte Bekannte: man begrüßt sie herzlich, hört ihre vertrauten Geschichten – und merkt erst später, dass man sie lange nicht mehr richtig wahrgenommen hat. Edvard Griegs a-Moll-Konzert gehört in diese Kategorie. Es ruft gleich mit seiner markanten Pauken-Eröffnung „Ich bin wieder da!“ und man fragt sich unwillkürlich, was eine neue Aufnahme dem Werk noch hinzufügen könnte. Suzana Bartal liefert darauf eine charmant überlegte Antwort – und gleich noch eine zweite mit Camille Saint-Saëns’ zweitem Klavierkonzert, das man in heutigen Konzertprogrammen erstaunlich selten hört. Channel Classics stellt die französisch-ungarische Pianistin damit ins Zentrum einer doppelten Wiederentdeckung: einer interpretatorischen und einer klanglichen.

Bartal, in Timișoara geboren, gehört zu jener Generation von Musikerinnen, die zwischen den Welten leben – mit Wurzeln in Osteuropa, Studium in Frankreich und Reife in den USA. Früh mit Preisen überhäuft, führte sie ihr Weg über das Pariser Konservatorium und das CNSMD Lyon an die Yale School of Music, wo sie ihren Doktortitel erhielt und mit dem Harriet Gibbs Memorial Prize ausgezeichnet wurde. Als Teaching Fellow am Yale College unterrichtete sie selbst, bevor sie sich zunehmend ihrer Konzerttätigkeit widmete. Vielleicht ist es genau diese Mischung aus Strenge und Freiheit, aus französischer Klangkultur und mitteleuropäischer Nachdenklichkeit, die ihrem Spiel diese besondere Mischung aus Klarheit und Glut verleiht.

Griegs Konzert eröffnet sie majestätisch, doch ohne Pathos. Die Bewegung bleibt in der Musik, nicht in den Gesten. Der erste Satz atmet, rhythmisch elastisch und lebendig, getragen vom Saarländischen Staatsorchester unter der Leitung von Sébastien Rouland, einem Dirigenten, der den Überblick sucht, nicht die Effekthascherei. Die Balance zwischen Solistin und Orchester gelingt beispielhaft: keine Konkurrenz, sondern musikalisches Gespräch. Der zweite Satz entfaltet sich warm, mit atmenden Streichern, die die melodische Linie umhüllen, während Bartal eine kantable Ruhe bewahrt. Und im Finale, diesem Springtanz voller rhythmischer Klippen, zeigt sie ihre ganze Präzision – klar artikuliert, pulsierend, tänzerisch, ohne je ins Mechanische zu kippen.

Ganz anders der Saint-Saëns. Sein zweites Klavierkonzert in g-Moll beginnt wie ein nachdenklicher Monolog. Bartal phrasiert die einleitenden Fragen mit Gewicht, aber ohne Schwere, formt sie zu einer Art innerem Dialog mit dem Orchester. Das Saarländische Staatsorchester antwortet aufmerksam, als lausche es auf jedes Atemzeichen der Solistin. Dieses Frage-Antwort-Spiel zieht sich wie ein roter Faden durch den Satz – mal ernst, mal ironisch, immer lebendig.

Dann das Allegro scherzando: hell, keck, mit federnden Holzbläsern, die den heiteren Charakter des Stücks wunderbar treffen. Bartal spielt mit blitzendem Witz, mit einer Eleganz, die aus Haltung kommt, nicht aus Glätte. Ihre Dynamik bleibt fein abgestuft, das Pedal bewusst sparsam. Und wenn Saint-Saëns im Finale das Presto entfesselt, stürzt sie sich hinein mit kontrolliertem Feuer. Da rauscht Sturm und Drang vorbei, aber ohne jedes Auftrumpfen. Die Läufe funkeln, die rhythmischen Kontraste sind gestochen scharf, während die Aufnahme selbst – in typischer Channel-Classics-Manier – kompakt und warm bleibt.

Sébastien Rouland dirigiert das Saarländische Staatsorchester mit sicherer Hand. Er hält die Fäden zusammen, formt kantable Momente, statt bloß Takte zu zählen. Sein Zugang ist analytisch, manchmal etwas zu kontrolliert, doch die enge Verbindung mit der Pianistin verleiht der Aufnahme eine spürbare innere Geschlossenheit. Ein wenig mehr orchestrale Freiheit, ein größerer Schwung der Klanggeste – das hätte die emotionale Wirkung noch gesteigert. Aber das Zusammenspiel bleibt exemplarisch: Partnerschaft statt Begleitung.

Gerade der Kontrast zwischen den beiden Konzerten macht den Reiz dieser Veröffentlichung aus. Nach Griegs Naturbühne mit ihren nordischen Schatten wirkt Saint-Saëns’ Pariser Eleganz wie ein heiterer Gegenpol. Bartal versteht beide Welten aus dem Inneren heraus – sie spielt Grieg mit dem Atem einer Landschaft und Saint-Saëns mit der Ironie eines Romanciers. Beides gelingt ihr mit einer Selbstverständlichkeit, die ihre technische Brillanz beinahe vergessen lässt. Man spürt, dass sie von großen Lehrern geprägt wurde: von András Schiff, Paul Lewis oder Menahem Pressler. Doch ihr Spiel verrät keinen Einfluss, sondern Persönlichkeit. Ihr Anschlag ist nie auf Effekt bedacht, sondern auf Bedeutung.

Diese Aufnahme ist keine bloße Pianistenvitrine, sondern ein kleines musikalisches Essay über zwei Epochen. Grieg und Saint-Saëns, zwei Komponisten, die in ihrer Zeit zwischen den Stühlen saßen – Romantiker mit Blick auf die Moderne –, finden in Bartal eine Interpretin, die diese Zwischenräume versteht. Ihre Lesarten sind differenziert, geistreich und von jener unaufdringlichen Virtuosität getragen, die man nur bei Künstlerinnen findet, die nichts mehr beweisen müssen.

Am Ende bleibt der Eindruck einer klugen, humorvollen Musikerin, die nicht nur spielt, sondern vorträgt – mit Geist, Witz und jener leisen Melancholie, die große Interpretationen erst menschlich macht.

Und so hört man diese Aufnahme wie ein langes, gutes Gespräch – eines, bei dem man viel lernt, gelegentlich schmunzelt und sich am Ende wundert, warum man Saint-Saëns’ g-Moll-Konzert so lange nicht gehört hat. Suzana Bartal hat es neu vorgestellt, und Grieg gleich mit. Dafür darf man dankbar sein.

Dirk Schauß, im Oktober 2025

 

Edvard Grieg Klavierkonzert a-moll, op. 16
Camille Saint-Saëns Nr. 2 g-moll, op.22
Suzana Bartal, Klavier
Saarländisches Staatsorchester
Sébastien Rouland, musikalische Leitung
Channel Classics, CCS47825

 

 

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