CD „ECSTASY AND ABYSS“ – Martin Fröst und das Swedish Chamber Orchestra; Sony
Mozarts Botschaft der Hoffnung und die Klarinette mittendrin
„Mozart tells the human story with a divine power.“ Fröst
Martin Fröst, schwedischer Pianist, Klarinettist und Dirigent, sieht einen Zusammenhang zwischen der mit Mozart in der Musik sich bahnbrechenden Aufklärung, Lebenslust und Hoffnung und dem Siegeszug der Klarinette. Seine erste Erinnerung an die Klarinette verdankt Fröst einer LP von Jack Brymer und der Academy of St Martin-in-the-Fields. Er war zu dem Zeitpunkt neun Jahre jung, die tiefe Verwobenheit des für die Musikwelt erschlossenen Klangs vor allem der Bassettklarinette mit der flüsternden, tänzelnden, weinenden und lachenden Musik von Mozart blieb. Der Eindruck einer abgründigen emotionalen Berg- und Talfahrt verstärkte sich mit der zunehmenden Beschäftigung mit dem Salzburger Komponisten. Triumphales C-Dur und dunkle Untergangschatten wechseln bei Mozart atmosphärisch bisweilen im Sekundentakt. Die Musik der auf dem Album erzählten exemplarischen Momente aus dem späten Schaffen Mozarts kann so auch uns selbst mit den eigenen intimsten Widersprüchen und Verstrickungen konfrontieren, eine Begegnung der einen mit der anderen Seite unserer zwei Seelen herbeiführen und Zuversicht schüren.
Martin Fröst begann seine internationale Karriere als Klarinettist. Das „Klarinettenkonzert“ Mozarts hat er im Abstand von 20 bzw. 10 Jahren nun zum dritten Mal für Platte eingespielt: 2002 mit der Amsterdam Sinfonietta, 2012 mit der Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Neu ist, dass er jetzt auch die musikalische Leitung des von ihm geleiteten Swedisch Chambers Orchestra innehat.
Fröst glaubt fest daran, dass Musik eine Tochter der Zeit ist, weshalb die Wiederbefassung mit Meisterwerken jedes Mal ein neues Statement, eine eigene Wahrheit ausgehend von neuen Einflüssen und Erfahrungen schafft. Und Hand aufs Herz, auch wir als Publikum ändern uns, ja die Intensität der Wahrnehmung von Musik hängt nicht zuletzt von einer Art Tagesverfassung ab. Für die Ewigkeit Definitives existiert einfach weder beim ausführenden Musiker noch beim Rezipienten.
Worauf es bei dem neuen Mozart-Doppelalbum ankommt, ist, dass es mit seiner frischen Energie, interpretatorischen Unvoreingenommenheit, der klanglichen Noblesse, der ungezügelten, im Absoluten verhafteten Gefühlsintensität bei der Hörerschaft einen puren Rausch ohne Nebenwirkungen ähnlich wie beim Einatmen sauerstoffreicher Gebirgsluft auszulösen vermag. Wer wäre in diesen disparaten Zeiten nicht dankbar für die raffinierte wie sofort zugängliche musikalische Schönheit, die Mozart selber aus chaotischen Lebensumständen heraus geschaffen hat?
Auf dem abwechslungsreichen Programm stehen, wie bereits erwähnt, Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur, KV 622, dazu die „Jupiter“-Sinfonie in C-Dur, KV 551 sowie die „Prager“-Symphonie in D-Dur, KV 504. Als Gäste hat Martin Fröst zum Stelldichein den französische Pianisten Lucas Debargue (Klavierkonzert C-Dur KV 503), die Sopranistin Elin Rombo (Konzertarie „Ch’io mi scordi di te? – Non temer, amato bene“ KV 505) und die Mezzosopran Ann Hallenberg (Arie des Sesto „Parto, ma tu, ben mio” aus „La Clemenza di Tito“ KV 621) gebeten.
Sony Trailer zum Doppelalbum: https://www.youtube.com/watch?v=tnQqmvyBu1A
Dr. Ingobert Waltenberger