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CD/DVD „GRIGORY SOKOLOV at Esterházy Palace“ – Werke von Joseph Haydn und Franz Schubert

Live-Mitschnitt aus dem Haydnsaal von Schloss Esterházy vom 10.8.2018; Deutsche Grammophon

16.06.2022 | cd

CD/DVD „GRIGORY SOKOLOV at Esterházy Palace“ – Werke von Joseph Haydn und Franz Schubert; Live-Mitschnitt aus dem Haydnsaal von Schloss Esterházy vom 10.8.2018; Deutsche Grammophon

Meister der Zugaben

soko

Im traditionsreichen Festsaal von Schloss Esterházy hat sich Grigory Sokolov 2018 drei Klaviersonaten von Joseph Haydn vorgenommen, und zwar diejenigen in g-Moll, Nr. 32, in b-Moll, Nr. 47 in und in cis-Moll, Nr. 49.  Gewiss, Sokolov spielt Haydns Sonaten bis zum letzten i-Punkt vorbereitet, höchst differenziert und technisch vollendet und dennoch will der Funke nicht überspringen. Sokolov geht die Sache schon in der Sonate Nr. 32 ziemlich behäbig an. Der Hörer ist mit einer strukturellen Lesart konfrontiert, die sich an der Barocke orientiert und final distanziert klingt.

Besser gefallen die vier Impromptus D 935 von Franz Schubert aus dem Jahr 1827.  Hier spannt Sokolov den Bogen gekonnt von der ersten in f-Moll, über den „zweiten Satz“ in der parallelen Tonart As-Dur, den Variationen aus der Musik zu „Rosamunde“ in Nummer drei bis hin zum letzten Allegro scherzando, wiederum in f-Moll. Wiederum wählt Sokolov langsame Tempi und lässt die Gefühle nicht ins Kraut schießen. Aber hier beginnt der Steinway auf einmal zu singen, entlockt Sokolov den Tasten eine besonders zart formulierte Liebeserklärung an die edlen Seelen-Landschaften der Musik und setzt Maßstäbe an Verinnerlichung. Er bündelt die lyrisch-poetischen Melodiebögen aus Schuberts klingendem Zauberuniversum zu einem verhangenen Regenbogen, melancholisch, träumerisch, schwärmend, traurig, ein wenig kalkuliert vielleicht.

Ganz in seinem unvergleichlichen Element ist Sokolov bei diesem Konzert erst bei den sechs Zugaben, wo er mit Jean-Philippe Rameaus „Le rappel des oiseaux“, Franz Schuberts „Ungarischer Melodei“ D 817 und Impromptu  in As-Dur , Frédéric Chopins Prélude in Des-dur, Alexander Griboyedovs „Walzer in e-Moll“ und Claude Debussys „Des pas sur la neige“ brilliert.  

Fazit: Nicht Sokolovs bestes Konzert, die Zugaben entschädigen jedoch für die im Perfektionsstreben zum Tragen kommende Vorsicht und sterile Zurückhaltung bei Haydn und Schubert im offiziellen Teil des Programms.

Wer will, kann sich auf dem mitgelieferten Blu-ray Video einen Filmmitschnitt des Konzerts ansehen.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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