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CD „DREAMER“ REGER und SCHUBERT: Werke für Violine und Klavier; Coviello Classics

15.01.2020 | cd

CD „DREAMER“ REGER und SCHUBERT: Werke für Violine und Klavier; Coviello Classics

Die über 30-minütige neunte und auch letzte Sonate für Violine und Klavier in c-Moll Op. 139 von Max Reger, eine Spitzenschöpfung ihrer Art, wurde vom Komponisten selbst mit dem Geiger Adolf Busch als Partner in Jena im Jänner 1916 uraufgeführt. Nur wenige Monate später erklang das Largo zu Regers eigenem Begräbnis. Das Duo Dauenhauser Kuen (Anna Sophie Dauenhauser Violine, Lukas Maria Kuen Klavier) belegt mit passioniertem, aber auch sensibel die unzähligen emotionalen Kontraste auslotendem Spiel den außergewöhnlichen Rang Regers in seinem kammermusikalischen Schaffen. Aus den 300 leider viel zu wenig bekannten Klavierliedern präsentieren die beiden zudem drei gelungene Kostproben in eigenen Bearbeitungen für Violine und Klavier: „Wiegenlied“, „Frühlingsmorgen“ und „Ruhe“.

Der Musikkritiker Ferdinand Pfohl hat für seine Reger-Begeisterung Worte gefunden, die auch die beiden Künstler der CD überzeugen: „Etwas Orchideenhaftes liegt auf seinen Harmonien, die so zart und empfindlich, in denen so viele Deutungen und Möglichkeiten zusammenfließen, die in nie gesehenen Farbengluten flammen und in weichen Dämmerungen und sterbenden Lichtern sich auflösen. Bei ihm geht die Harmonie weit über die übliche Bedeutung des Begriffs hinaus… sie wird ihm Symbol der Seele selbst, das jede feinste Nervenschwingung, jedes Erzittern und Erschauern dieses Zentrums auffängt.“

Ich glaube, dass Regers Musik generell nicht der Stellenwert zukommt, der ihr eigentlich aufgrund ihrer einzigartigen Qualität, ihrem Flirren und Surren, dem himmlisch langen Mäandern, der komplexen Vielfalt der Interpretationswegweiser zukommen sollte. Wie Richard Strauss hat Reger wunderbarste Jugendstilmusik geschrieben, wobei er doch pedantischer und steifer wirkt als sein bayrischer Kollege. Auf der anderen Seite sind es in der c-Moll Sonate gerade die leisen, still in sich kreisenden und plötzlich ungeduldig ausbrechenden Stimmungen, die ungemein nahe gehen. Plötzlich schwingt im Largo schwere Resignation mit, wehmütige Erinnerungen und schalkhaft ironische Brechungen im Vivace stehen unmittelbar nebeneinander. Ich sehe hier im Gegensatz zum programmatischen Titel des Albums, der sich auf die (kurzen) Lieder beziehen soll, keinen Träumer, sondern einen durch Krieg und Ahnungen gezeichneten Mann, der voller Selbstzweifel und gerade im Bewusstsein des Unvollendeten eine Musik der letzten Dinge voller Entsagung und  Schönheit schreibt. Wunderbar ist, wie Anna Sophie Dauenhauer einen von Trauer, aber auch von quicklebendigem Hasten und Eile erzählenden Gesang webt, voll prächtiger Portamenti, volltönend und sinnlich. 

 

Den zweiten Teil der CD widmen Dauenhauer und Kuen zwei Sonatinen von Franz Schubert, und zwar der ersten in D-Dur Op. post 137, D 384 und der dritten in g-Moll Op. post 137, D 408. Die beiden Werke des 19-jährigen Komponisten wurden erst acht Jahre nach seinem Tod veröffentlicht. Das Duo Dauenhauer Kuen lässt die beiden klassizistischen Sonaten in trauter Zweisamkeit leichtfüßig aufblühen. Hier begeistert der schlichte Ton, der die einfachen Melodien zart hofiert und ihnen dennoch ihr süßes Geheimnis lässt. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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