Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD DORA DELIYSKA – Études & Préludes von Frédéric Chopin, Claude Debussy, György Ligeti und Nikolai Kapustin; hänssler Classic

07.02.2023 | cd

CD DORA DELIYSKA – Études & Préludes von Frédéric Chopin, Claude Debussy, György Ligeti und Nikolai Kapustin; hänssler Classic

„Es ist bemerkenswert, wie sehr und wie häufig sich Komponisten aufeinander beziehen und welche Verbindungen man als Interpretin zwischen den einzelnen Werken entdecken kann. Ich beleuchte verschiedene kompositorische Methoden und wie sich diese im Laufe der Zeit entwickelt haben. Die gespielten Werke sind zum Teil virtuos oder impressionistisch, zum Teil poetisch oder jazzig.“ Dora Deliyska

dora

Die bulgarische, in Wien lebende Pianistin Dora Deliyska hat mit Études & Préludes ein virtuos und spieltechnisch sensationelles Album vorgelegt. Es ist klug konzipiert und was noch viel wichtiger ist, die Musik reißt den Hörer mit wie Wildwasser-Canyoning durch eine wirbelnde Felsschlucht. Da dreht und wiegt und schwankt es, dann wieder kehrt nach manch erwartungsfroher Erregung Ruhe ein (Chopin Étude Nr. 7, Op. 25), und wir sind die Stille, die in den Ohren zu Ewigkeit gerinnt. Die künstlerisch wie sportliche Extremtour ist berauschend, Adrenalin und Action sind garantiert. Aber auch nervöse Unruhe, unerwartete Modulationen, romantisches Träumen bei vibrierender Klarheit im Ton zeichnen das zauberische Album aus.

Hören Sie nur die ersten drei Stücke von Ligeti, Debussy und Chopin und Sie werden staunen, welche Querbezüge sich finden, welche Wahrhaftigkeit im Ton sofort eine grafisch genau konturierte Klangarchitektur konkretisiert. Wie sehr haben wir in solchen Krisenzeiten genau solche Musik nötig. In ihrer Absolutheit und schillernden sternenfunkelnden Klarheit tauchen wir in kometenhaftes Entzücken und universelle Botschaften, deren Geheimnis sich mit Liebe zur Schöpfung entschlüsseln lässt.

Dora Deliyska ist Künderin und Philosophin auf ihrem Instrument, in sich frei und doch rastlos auf Entdeckerfährte. Sie erweist sich mit diesen Études & Préludes von vier verwandten Künstlernaturen als risikofreudig, verspielt, temperamentvoll, unterhaltsam. Ihre superbe Anschlagskultur und -vielfalt entspricht der emotionalen Achterbahn des Programms. Mit dem wunderbar abendsonnig klingenden Bösendorfer, bei dem sich noch die Kanten kupfern runden, erstehen Klanglandschaften der Seele, sinnenfrohe Miniaturen, (Präludium „La puerto del vino“ von Debussy Track 20), oder jazzige elégance in den „Fanfares“ (Track 4) von Ligeti.

Das vielleicht faszinierendste Stück ist „L’escalier du diable“ von Ligeti. In dieser Volker Banfield gewidmeten Toccata können wir in wiederholten Aufstiegen Glockengeläut hören (Werden da gerade Übermut und Verantwortungslosigkeit zu Grabe getragen?) oder aber eine mathematische Funktion von Georg Cantor desselben Namens erforschen. Unglaublich auf- und anregend ist es, unmittelbar darauf der so untypischen Étude Nr. 10, Op. 25 von Chopin zu lauschen. Der Beginn von Claude Debussys „Pour les Accords“ wiederum scheint atmosphärisch Gershwin nahe.

Ich möchte noch auf die die CD schließenden drei Préludes (Nr. 6, 11 und 12) von Nikolai Kapustin aufmerksam machen. Kapustin, dessen Werke für Klavier und Orchester durch den unermüdlichen Einsatz des Pianisten Frank Dupree in Konzerten und im Plattenstudio verdienterweise immer bekannter werden, hat auch viele Werke für Klavier solo, wie Klaviersonaten, Intermezzi oder Konzertetüden hinterlassen. Sein auch in diesen Préludes unverkennbar jazziger Klavierstil sorgt für einen entspannten Ausklang eines Albums, dessen außerordentliches Hörvergnügen großer pianistischer Raffinesse und spürbarer Passion zu danken ist!

Zum Programm äußert sich die Pianistin auf ihrer Website so:

„Alle vier Komponisten stehen in einer engen Verbindung zueinander. Der erste Teil des Programms besteht aus zwölf ausgewählten Etüden von Frédéric Chopin, Claude Debussy und György Ligeti. Die Stücke sind nach Intervallen geordnet – von einer wiederholten Note (Ligeti nennt das „Continuum“, ich hingegen bezeichne es als ein „Zero“-Intervall) zu einem Halbton-Schritt („Pour les Degrés chromatiques“ von Debussy), weiter zu Ganzton-Schritt, Terz, Quart, Quint, Sext, Septim bis zur Oktav –, und entwickeln eine aufbauende Struktur und musikalische Spannung. An letzter Stelle hört man die Etüde „Pour les accords“ von Claude Debussy, bei der man die Akkorde als Kombination von Intervallen betrachten kann. Die zwei Arpeggio-Etüden davor (eine von Chopin und eine von Debussy) gelten als Beispiele für zerlegte Intervalle, die starke harmonische Nuancen und Farben bilden.

Der zweite Teil des Programms besteht aus drei Komponistenblöcken – 5 Präludien von Chopin, 4 Präludien von Debussy und 3 Präludein von Kapustin. Die Zuhörer können so die deutlichen Stilunterschiede noch genauer erkennen. Diese zwölf Präludien des zweiten Teils spiegeln den ersten Teil wider und bewirken eine Geschlossenheit des Konzertprogramms, welches mit seinen 24 einzelnen Stücken als ein eigenes Kunstwerk bzw. ein eigener Klavierzyklus betrachtet werden kann.“

Programm der CD

  • György Ligeti: ´Études Nr. 2 „Cordes a vide“, Nr. 4 „Fanfares“, Nr. 10 „Der Zauberlehrling“, Nr. 13 „L’escalier du diable“
  • Claude Debussy: Études Nr. 7 „Pour les Degres chromatiques“, Nr. 11 ‚Pour les Arpeges composes“, Nr. 12 „Pour les Accords“; Prelude Heft 1 Nr. 6 „Des Pas sur la neige“; Heft 2 Nr. 6 „General Lavine – eccentric, Dans le style et le Mouvement d’un Cake-Walk“
  • Frederic Chopin: Études Nr. 13, 19, 20, 22, 23; Préludes Nr. 4, 8, 13, 15, 16
  • Nikolai Kapustin: Aus den 24 Jazz Préludes

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken