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CD: Dmitri Schostakowitsch Film Music Edition Capriccio, 7CD, C7450 – Ein Meister zwischen Kino und Konzertsaal

04.01.2025 | cd

Ein Meister zwischen Kino und Konzertsaal – Schostakowitschs Welt der Filmmusik

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Dmitri Schostakowitsch wird oft mit seinen monumentalen Symphonien und Streichquartetten assoziiert, die ihn als tiefgründigen, vielschichtigen Komponisten ausweisen. Doch eine andere Facette seines Schaffens verdient ebenso Aufmerksamkeit: die Filmmusik. Mit über 36 Filmprojekten erstreckt sich sein Wirken in diesem Bereich über die gesamte Karriere und offenbart eine einzigartige Vielseitigkeit, die den Humor, die Ironie und den scharfsinnigen Pragmatismus des Komponisten widerspiegelt. Seine Filmmusiken, die gleichermaßen dem Regime dienten wie seiner kreativen Selbstbehauptung, verbinden handwerkliche Brillanz mit emotionaler Tiefe.

Die neue 7-CD-Box von Capriccio, eine Wiederveröffentlichung herausragender Aufnahmen, lädt dazu ein, diese wenig bekannte, aber faszinierende Seite Schostakowitschs zu entdecken.

Die Sammlung umfasst zentrale Werke aus Schostakowitschs Filmmusik, darunter Klassiker wie „Der Fall von Berlin“, „Hamlet“, „New Babylon“ und „King Lear“ sowie weniger bekannte Perlen wie „Die Hornisse“, „Fünf Tage – Fünf Nächte“ und „Odna“. Ergänzt wird die Auswahl durch „Goldene Berge“, eine Suite voller symphonischer Energie, und „Zoya“, deren Chorsätze Leichtigkeit und Eleganz ausstrahlen.

Schostakowitschs erste Filmmusik, die Partitur zu „New Babylon“, beeindruckt mit ihrer avantgardistischen Modernität und dem souveränen Umgang mit den stilistischen Kontrasten. Urban geprägte Walzer treffen auf klagende Klänge, die das Schicksal der Figuren emotional verdichten. James Judd und das Deutsche Symphonieorchester Berlin fangen die rhythmische Klarheit und die kontrapunktische Struktur der Musik gut ein. Judds sensible Akzentuierung macht diese frühe Partitur zu einem kraftvollen Auftakt.

Die Musik zu „Hamlet“ (1964) zeigt Schostakowitsch auf dem Höhepunkt seiner Ausdruckskraft. Die düsteren Streicher, kombiniert mit ironischen Anklängen im Holz, illustrieren die Zerrissenheit des dänischen Prinzen auf eindringliche Weise. Michail Jurowski und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin gelingt es, die Balance zwischen Dramatik und subtiler Ironie fein auszutarieren. Besonders hervorzuheben sind die markanten Blechbläser, die dem Werk sinfonische Wucht verleihen.

Michail Jurowski und das Deutsche Symphonieorchester Berlin entlocken Schostakowitschs Musik zu „Der Fall von Berlin“ (1950) eine beeindruckende Bandbreite an Stimmungen. Der heroische Pathos, der sich durch opulente Streicher und triumphierende Blechbläser manifestiert, wird durch intime, lyrische Passagen ergänzt. Jurowskis interpretatorische Feinfühligkeit verleiht dem Werk eine zusätzliche Dimension und lässt die Musik über ihre propagandistische Funktion hinausstrahlen. Diese Partitur sticht durch ihre emotionale Zurückhaltung und tiefgehende Spiritualität hervor. Die Transparenz des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin bringt die schlichte Schönheit dieser Musik besonders zur Geltung.

Mit der Suite aus „Zoya“ zeigt Schostakowitsch eine überraschend lichte und beschwingte Seite. Die verspielten Holzbläser und der homogene Chorklang des RIAS-Kammerchores stehen im Kontrast zur oft düsteren Grundstimmung seiner Filmmusiken. Jurowski und sein Orchester setzen hier auf eine feinsinnige Leichtigkeit, während die „Goldenen Berge“ durch ihn mit symphonischer Brillanz und präziser Artikulation zum Leben erweckt werden.

Die Kombination aus dem Deutschen Symphonieorchester Berlin und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin verleiht dieser Box eine besondere Strahlkraft. Beide Ensembles bringen ihre jeweilige klangliche Identität ein: Während das Deutsche Symphonieorchester durch Wärme und Homogenität überzeugt, beeindruckt das Rundfunk-Sinfonieorchester mit Präzision und klanglicher Vielfalt.

Die drei Dirigenten – Michail Jurowski, Leonid Grin und James Judd – leisten Hervorragendes. Jurowski besticht durch seine Fähigkeit, die dramatischen Spannungen von Werken wie „King Lear“ mit feiner Ironie zu durchdringen. Grin punktet mit seiner musikalischen Klarheit und emotionalen Tiefe, insbesondere bei „Hamlet“ und „Die Hornisse“. Judd brilliert durch seine detailreiche Gestaltung und rhythmische Prägnanz, die besonders in „New Babylon“ hervortritt.

Capriccios Wiederveröffentlichung der Filmmusik-Edition eröffnet einen beeindruckenden Zugang zu Schostakowitschs weniger bekannten, aber ebenso meisterhaften Werken. Die brillante Zusammenarbeit der Berliner Orchester und der drei Dirigenten macht diese Box zu einem Muss für Kenner und Neuentdecker gleichermaßen. Die Sammlung zeigt nicht nur die Bandbreite von Schostakowitschs musikalischer Sprache, sondern auch, wie zeitlos seine Musik bleibt – sei es im Kino, auf der Bühne oder im Konzertsaal. Erfreulich gut geraten ist die Aufnahmetechnik, sodass die Klangpracht in deutlicher Dynamik zu erleben ist.

Dirk Schauß, im Dezember 2024

 

Dmitri Schostakowitsch

Film Music Edition

Capriccio, 7CD, C7450

 

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