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CD DIMENSIONEN INNENWELT – Abschluss der Liedtrilogie mit MARLIS PETERSEN und STEPHAN MATTHIAS LADEMANN; Solo Musica

25.09.2019 | cd

CD DIMENSIONEN INNENWELT – Abschluss der Liedtrilogie mit MARLIS PETERSEN und STEPHAN MATTHIAS LADEMANN; Solo Musica

 

„Dämmerung löscht die letzten Lichter, noch ein irrer Schall und Schein, und die Nacht hüllt dicht und dichter alles Leben ein. Und die Erde will nun schlafen; aber ruhelos bist du, steuerst aus dem stillen Hafen deinen Sternen zu.“  ,Seele‘ von Gustav Falke (Musik: Karl Weigl) 

 

Nach „Welt“ und „Anderswelt“ wollen uns Marlis Petersen und ihr Partner am Klavier Stephan Matthias Lademann nun ins Reich der Visionen und Träume entführen, zur inneren Nacht des Unterbewusstseins und in die Werkstatt der Seele. Das romantische deutsch- und französischsprachige Liedrepertoire hält genügend Auswahl für solch eine Reise bereit. 

 

In vier Stufen „Nacht und Träume“, „Bewegung im Innern“, „Mouvement Intérieur“, „Erlösung und Heimkehr“) darf sich das Publikum vom Stress und der Unruhe des täglichen Aktivitätszwangs befreien, und die Anima ins Reich der Phantasie und  der inneren Bilder entfleuchen lassen. Dort geht es beileibe auch nicht immer ,Wonne und Waschtrog‘ zu, immerhin sind hier alle möglichen Gefühle und Wünsche, aber auch Angst, Nacht und Tod zu Hause. Die musikalische Reise, die wir hier antreten, ist aber bunt und in ihrer lustvollen Transgression und emotionalen Vielfalt wohl ausbalanciert. 

 

Erstmals in der Trilogie hat  sich Petersen in der Innenschau bewusst für Lieder von Richard Strauss („Die Nacht“, „Ruhe, meine Seele“, „Beim Schlagengehen“ in einer Bearbeitung für Sopran, Violine und Klavier von Gregor Hübner), aber auch Kostbarkeiten aus dem französischen Liedschaffen (Fauré, Hahn, Duparc) entschieden.  

 

Marlis Petersen, ,artist of residence‘ der Berliner Philharmoniker der Saison 2019/2020, hat im dritten und letzten Teil ein kluges Programm aus Raritäten und „Hits“ zu einem   farblich vor allem in Pastellfarben abschattierten musikalischen Blumenstrauss gebunden. Dass der Gesamteindruck monotoner ausfällt als bei den ersten beiden CDs, liegt am Sujet, aber auch am Dauerpiano der Künstlerin, die sich stimmlich nur selten aus der Deckung zum vollen Ton begeben mag. Sicherlich sind Zartheit, Fragilität und Zerbrechlichkeit ein Teil des künstlerischen Credos der CD und Petersen bietet eine Lehrstunde an gepflegtem Stil, kunstreichem Legato, lyrischer Versenkung und behutsam überlegter Phrasierung. Bei den mittlerweile doch dramatischer gewordenen stimmlichen Mitteln dieser vorzüglichen Sängerin hätte man sich hier und da doch ein wenig mehr an Entäußerung und Passion wünschen dürfen. 

 

Aufgenommen wurde im Juli 2019. Stephan Matthias Lademann ist ein vorzüglicher Liedbegleiter, der seinen Star auf Händen trägt und frei durch die Wunderwelten poetischer Verzückung fliegen lässt. In Liedern wie „A Chloris“ oder „L‘Enamourée“ von Reynaldo Hahn vermag Lademann den Klang seines Instruments dank einer sensiblen Anschlagskultur auf verblüffende Weise mit der Stimme der Sopranistin verschmelzen zu lassen. Welche wunderbare Harmonie! 

 

Das Album bietet zudem hoch interessante Raritäten und wahre Entdeckungen. Hans Sommer („Seliges Vergessen“) und vor allem Richard Rössler („Läuterung“) überraschen trotz Schubert, Brahms, Reger und Liszt mit zwei der melodienseligsten Lieder des gesamten Programms. Karl Weigl, ein Wiener Spätromantiker, der 1938 aus seiner Heimatstadt Wien vertrieben wurde, und der ebenfalls in die USA geflüchtete  Robert Fürstenthal stecken einen konzeptionellen Rahmen ab, der über das lyrische Programm hinausweist: Den Emigranten blieb nur das Innen, um ihre Heimat fühlen und erinnernd erleben zu können.

 

Die intensive Auseinandersetzung mit der neuen Innenwelten-CD lohnt allemal, nach mehrmaligem Hören erschließt sich der komplette Zauber all dieser kleinen kostbaren vokalen Miniaturen. Insgesamt liegt hier ein überzeugendes Plädoyer für die Kunstform Lied vor, das auch für Kenner und Versierte schöne Überraschungen bereit hält. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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