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CD „DAYLIGHT. STORIES OF SONGS, DANCES AND LOVES“ – Concerto Italiano unter Rinaldo Alessandrini mit Musik von Claudio MONTEVERDI; naïve

27.11.2021 | cd

CD „DAYLIGHT. STORIES OF SONGS, DANCES AND LOVES“ – Concerto Italiano unter Rinaldo Alessandrini mit Musik von Claudio MONTEVERDI; naïve

Nach dem Album „Night. Stories of Lovers and Warriors“ geht es nun mit Monteverdi um in sonniges Licht getauchte Liebesfreuden

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Ein sehr ansprechendes Pasticcio hat sich Rinaldo Alessandrini als letzten Teil seiner intensiven Befassung mit der Musik von Claudio Monteverdi ausgedacht. Die musikalischen Ausschnitte – vokal- und instrumental gleichermaßen – stammen aus allen Schaffensphasen des Komponisten, vom polyphonen Frühwerk bis hin zu den späten Opern. Einige Instrumentalstücke von Monteverdis Zeitgenossen Bagio Marini und Andrea Falconiero reflektieren die atmosphärisch dichte Bindung einzelner Nummern, wie das auch im 17. Jahrhundert üblich war.

Die beiden CDs „Night“ und “Daylight“ verbindet, dass sie mit derselben Musik eingeleitet werden, nämlich mit der kurzen „Sinfonia“ zum dritten Akt aus Monteverdis „Orfeo“. Da, um eine leidenschaftliche Liebesnacht zu beginnen, dort, um das Ende einer Liebesnacht zu zelebrieren. „Non si levava ancor l’alba novella“ aus dem zweiten Madrigalbuch markiert die Trennung der Liebenden in der Morgendämmerung samt Vogelsang und den tausend schmachtenden Seufzern des Abschieds unter den letzten, immer schwächer leuchtenden Sternen. Den schmerzvollen Abschied hüllt Monteverdi mit dem fünfstimmigen „E dicea l’una sospirando allora“ in ein kunst- und sehnsuchtsvoll gewirktes Klangkleid. Eine „Sinfonia“ aus dem siebten Madrigalbuch reflektiert den Sonnenaufgang, der mit sich bringt, dass sich die Nacht nach und nach in Licht auflöst.

„Vénus, déesse de la beauté et de l’amour, vainc toujours Mars“. Jetzt lassen wir einmal den Hochgefühlen unseres imaginären Liebespaars freien Lauf. Frauen- und Männerstimmen besingen in späten, mehrstimmigen Madrigalen theatralisch die unbeschwerte Heiterkeit, den himmlischen Glanz der Erinnerung an die Freuden der vergangenen Nacht und die Ungeduld auf ein Wiedersehen („Sù, sù, sù pasterelli vezzosi“, „Sù, sù, sù augeletti canori“ und „SÚ, sù, sù ch’el giorno é fore“).

Es folgen diverse Tänze eines hymnisch die Schönheit der Liebe preisenden Ballets aus den „Scherzi musicali“, abgelöst durch den ersten fulminanten Höhepunkt des Albums, dem zehnminütigen Duett „Duri e penosi“ aus Monteverdis venezianischer Oper „Il ritorno di Ulisse in Patria“ aus dem ersten Akt zwischen Eurimaco und Melanto (Sonia Tedla, Valerio Contaldo). Für den einfach gestrickten Melanto sind die Schmerzen der Liebe nichts anderes als das Vorspiel zu unendlichem Glück. In „Io mi sento giovinetta“ aus dem fünften Madrigalbuch necken sich eine Schäferin und ein Schäfer, wobei sich die fünf Stimmen auf Sopran und Bass aufteilen, sodass daraus trotz der komplex ornamentierten Polyphonie ein Dialog zwischen Mann und Frau wahrnehmbar wird. Zwei Tenöre wiederum künden in „“Zefiro torna“ aus den „Scherzi musicali“ von den zarten Empfindungen zweier verliebter Frauen, Fillide e Clori.

Erotischer wird die Sache schon, wenn in „Sento un certo non so ché“ aus der Oper „L’incoronazione di Poppea“ das Dienerpaar der Kaiserin OttaviaValletto und Damigella (Raffaele Giordani, Monica Piccinini), ihr Liebesglück in witzigen Reimen kess bejubeln. Wer da die Hos’n anhat, ist klar: „Was wäre, wenn ich Dich beiße, dann würdest du dich den ganzen Tag beschweren und heulen“, spöttelt selbstbewusst die junge Frau.

Die wunderschönen Madrigale „Chiome d’oro, bel tesoro“, „Alle danze, alle goie“ wollen dagegen nicht mehr, als heiter die Haare, die Zähne, die Augen und die Lippen des geliebten Wesens oder Tanzfeste und ihre Freuden heraufbeschwören.

Mit zwei Kompositionen, gewidmet die eine König Heinrich IV. („Movete al mio bel suon“), die andere dem Kaiser Ferdinand III. von Habsburg („Gli arditi balli e l’armonia dei canti“ aus den Madrigali guerreri et amorosi), schließt sich der Reigen im erzählerischen Gesamtfaden. Ach ja, und damit der amouröse Bogen sich wirklich straff spannt, hat Dirigent Rinaldo Alessandrini die Verse der letzten Nummer kurzerhand umgeschrieben: „Gli arditi balli et l’armonia dei canti, hor con gagliardi, hor con soavi accenti, nel mel de‘ baci e i sguardi mai interrotti, alletano di Venere gli istanti, la terra celebri i momenti d’amor, che tutto cura, e tutto intende.“

Vielleicht handelt es sich bei diesem Album, wie Alessandrini in seinem Vorwort anmerkt, um kein Projekt für Puristen. Das monteverdische Ideal hingegen, wo alles Theater ist, das aus Menschlichkeit, dem Streben nach dem Erhabenen und der aleatorischen Lösung der Widrigkeiten des Lebens durch die Liebe, die heilende Kraft des Gesangs und die flammende Begeisterung für den Tanz besteht, erreicht Alessandrini mit höchster Konzentration, mit schönen Stimmen und dramatisch bis ironisierendem Ausdruckswillen. Das auf Alte Musik spezialisierte Vokal- und Instrumentalensemble Concerto Italiano ist ihm dabei der denkmöglich beste, und traumwandlerisch seinen Intentionen folgende Partner.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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