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CD DANIEL HOPE und das ZÜRCHER KAMMERORCHESTER – DANCE!, Deutsche Grammophon

30.01.2024 | cd

CD DANIEL HOPE und das ZÜRCHER KAMMERORCHESTER – DANCE!, Deutsche Grammophon

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CD DANIEL HOPE und das ZÜRCHER KAMMERORCHESTER – DANCE, Deutsche Grammophon

Das nicht gerade berauschende Wesen vieler Programmalben besteht darin, dass unter einem (oft) beliebigen Titel irgendwelche Lieblingskompositionen eines Künstlers zusammengewürfelt werden und für den Hörer dramaturgisch Rätsel aufgeben.

Im Falle der neuen Doppel-CD des Geigers Daniel Hope und dem unglaublich fitten Zürcher Kammerorchester mit dem klar den musikalischen Inhalt signalisierenden Namen „Dance“ ist das Publikum auf den 115 Minuten Spielzeit mit so Heterogenem wie Lully, Dall’Abaco, Bartók, Piazzolla, Britten, Ravel, Prokofiev oder Schubert konfrontiert. Ein anonymes „Lamento di Tristano“ datiert sogar vom 14. Jahrhundert, was somit eine musikalische Zeitreise von nicht weniger als 700 Jahren ergibt. Bei näherem Hinsehen ist der Versuch zu erkennen, in die 42 Tracks so etwas wie eine musikgeschichtliche Ordnung zu bringen.

Der Ball startet legitimerweise mit den Hits „Walzer Nr. 2“, also der Nr. 7 aus der Suite für Varieté-Orchester von Dmitri Shostakovich, der ‚Danse macabre‘, Op. 40, von Camille Saint-Saëns, dem ‚Rittertanz‘ aus Prokofievs „Romeo und Julia“ sowie einem ‚Pas de deux‘ aus Tchaikovskys Ballett „Schwanensee“. Bei den meisten Stücken handelt es sich um Arrangements von Paul Bateman, dem zu danken, ist, dass er höchst subtil Geigenstimme und musikalische Substanz zu klanglich aufregenden, geschmackssicheren und stilgerechten Ergebnissen montiert.

Solche kompositorischen Zurufe haben das Rondo für Violine und Orchester in B-Dur KV 269 (261a) vom Wolfgang Amadeus Mozart oder die fünf Deutschen Tänze, D 89/6-10 (Kadenz Daniel Hope), von Franz Schubert nicht nötig. Hier wie da zeigt sich die beinkribbelige bis schwungvoll mitreißende Atmosphäre des Albums. Ohne Dirigenten zaubern Geiger und dem mehr als fabulösen Kammerorchester & Friends Feinsinniges, auf das Natürlichste phrasiert, voller tänzerischer Energie und Lebenslust. Das hebt einen sofort vom Hocker.

Bei so viel klanglicher Duftigkeit und geigerischem Luxuston wollen wir mit dem Stilmischmasch dieses final doch sehr bekömmlichen Konzeptcocktails nicht so streng sein. Auf Schubert folgen Bizets ‚Farandole‘ aus der Schauspielmusik „L’Arlésienne“, der Can-can ‚Galop infernal‘ aus Offenbachs „Orphée aux enfers“ und der fünfte Ungarische Tanz in g-Moll von Johannes Brahms.

Zu den Lieblingsstücken von Daniel Hope, die natürlich nicht fehlen dürfen, zählen Elgars Menuett in a-Moll, Op. 21 und Erwin Schulhoffs ‚Alla Tarantella‘, das letzte seiner fünf Stücke für Streichquartett (1923). Zudem stehen Tangos von Carlos Gardel und Astor Piazzolla oder sechs Rumänische Volkstänze von Béla Bartók auf dem rhythmisch diversen Programm.

Dass es veritable Raritäten zu entdecken gibt, ist ein weiteres Atout der Publikation. Ein ausgiebiger Alte Musik Block als Start von CD 2 mit der ‚Marche pour la céremonie des turcs‘ aus „Le Bourgeois gentilhomme“ von Jean-Baptiste Lully, ‚Lilk‘ aus „The Tempest“ von Matthew Locke oder der ‚Ciaccona Op. 12/20 von Tarquinio Merula bildet den Auftakt zu einem Reigen an kaum bekannten Nummern, wie dem ‚Roka-Tánc‘ aus dem Divertimento Nr. 1 auf einen alten ungarischen Volkstanz von Leó Weiner, dem mit über neun Minuten Spielzeit längsten Stück des Albums: ‚Orawa‘ von Wojciech Kilar, das auf traditionellen Rhythmen aus der Hohen Tatra baut, oder den ‚Ticklin‘ Toes‘ der gerade nach und nach wieder gewürdigten amerikanischen Komponistin Florence Price.

Dass all diese Tänze von Feld, Straße, Salon, Konzertpodium, Jazzclub (Duke Ellingtons ‚It don’t mean a thing/‘If it ain’t got that swing‘) oder aus Instrumental- oder Ballettklassikern mit Hingabe, Leidenschaft und klanglicher Vielfalt aufgeführt werden konnten, hat Hope zu den Mitgliedern des Zürcher Kammerorchesters zahlreiche weitere Musiker eingeladen. Auf ihren jeweiligen Instrumenten brillieren u.a. Marie-Pierre Langlamet (Harfe), Emanuele Forni (Barockgitarre und Theorbe), Omar Massa (Bandoneon), Markellos Chryssicos (Cembalo), Jacques Ammon (Klavier) Michael Metzler und Sascha Johannes Meisel (Schlagzeug).

Kurzweil, Passion, Lebendigkeit und Top-Tonqualität garantiert. Ganz sicher echte Schlechte-Laune-Vertreiber, dieser Daniel Hope und sein von ihm seit 2016 geleitetes Zürcher Kammerorchester.

  • Dmitri Shostakovich: Walzer Nr. 2
  • Camille Saint-Saëns: Danse macabre
  • Serge Prokofieff: Tanz der Ritter aus Romeo und Julia
  • Peter Tchaikovsky: Pas de deux aus Schwanensee
  • Wolfgang Amadeus Mozart: Rondo für Violine & Orchester B-Dur
  • Franz Schubert: Deutsche Tänze
  • Georges Bizet: Farandole aus L’Arlesienne-Suite Nr. 2
  • Jacques Offenbach: Can-Can aus Orphée aux Enfers
  • Johannes Brahms: Ungarischer Tanz Nr. 5
  • Carlos Gardel: Por una Cabezza aus Tango Bar
  • Astor Piazzolla: Escualo
  • Traditional: Odessa Bulgar
  • Béla Bartók: Rumänische Volkstänze
  • Jean-Baptiste Lully: Marche pour la Ceremonie des Turques aus    Le Bourgeois gentilhomme
  • Georg Friedrich Händel: Rigaudons aus Wassermusik-Suite HWV 350
  • Matthew Locke: Lilk aus The Tempest
  • Henry Purcell: Curtain Tune on a Ground aus Timon of Athens
  • Evaristo Felice dall’Abaco: Concerto a piu istrumenti D-Dur op 5 Nr. 6
  • Tarquinio Merula: Ciaccona aus Canzoni overo Sonate concertante per chiesa e camera op. 12
  • Nicola Conforto: Fandango aus L’Endimione
  • Anonymus: Saltarello (16. Jahrhundert); Lamento di Tristano
  • Leo Weiner: Fox Dance
  • Wojciech Kilar: Orawa
  • Edward Elgar: Menuett a-moll
  • Florence Price: Little Negro Dance Nr. 3 „Ticklin‘ Toes“
  • Duke Ellington: It don’t mean a thing
  • Erwin Schulhoff: Piece for String Quartet Nr. 5 Alla Tarantella
  • Benjamin Britten: Variation Nr. 3, Romance aus Frank Bridge-Variations
  • Igor Strawinsky: Tarantella aus Pulcinella-Suite
  • Maurice Ravel: Vocalise-étude en forme de Habanera

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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