CD DANIEL-FRANCOIS-ESPRIT AUBER „LE PHILTRE“ – Live-Mitschnitt vom Juli 2021 aus Bad Wildbach; Naxos
Das französische Vorbild für Donizettis „Liebestrank“ in einer stimmlich uneinheitlichen, klangtechnisch unzureichenden Aufnahme
Groß war der Aufschrei, als an der Académie Royale de Musique anstatt weihrauchumnebelter Götter und Halbgötter, gelackter Helden und erotischer Nymphen auf einmal ländlicher Stallgeruch Einzug hielt. Eine kecke Bäuerin, ein einfach gestrickter, sentimentaler Landarbeiter, eine Wäscherin, ein rekrutierender Oberst und ein vulgärer Wanderhändler/Möchtegernarzt bevölkerten auf einmal die Bühne, die in Aubers „Le philtre“ den Blick auf das Dorf Mauléon am Ufer des Flusses Adour im französischen Baskenland freigibt. Schluss mit der gepflegt aristokratischen Langeweile, das Parkett sollte endlich gehörig belustigt werden mit einem „heiteren Libretto und freudigen Klängen in ländlicher Umgebung.“
Der Erfolg der Oper war denn auch trotz journalistischer Schmähung riesig, wurde sie doch jahrzehntelang ununterbrochen gespielt, insgesamt sollen es 243 Mal gewesen sein. Der Zaubertrank, der sich als dunkelroter Wein, ein seit jeher wirksamer Enthemmer, erweist, ist denn auch der Katalysator von Ereignissen, die das Publikum belustigen, aber ebenso zynisch auf die Protagonisten des Stücks selbst zurückfallen.
Die Handlung dürfte von Donizettis „L’Elisir d’amore“ bekannt sein: Der Bauernbursche Guillaume verzehrt sich nach der koketten Pächterin Térézine („La coquetterie fait mon seul bonheur“) wird aber von ihr hingehalten. Der betrügerische Wanderhändler Fontanarose schwatzt Guillaume daher einen sogenannten Zaubertrank auf, der seine Angebetete sicherlich gefügig machen wird. Die wiederum – durch das veränderte Verhalten des Burschen beleidigt – verspricht dem Oberst Joli-Coeur, der am nächsten Morgen weiterziehen muss, trotzig die Hochzeit noch für denselben Abend. Im zweiten Akt gibt es auf Vorschuss ein zweites Fläschchen für Guillaume, der dafür aber Soldat werden muss. Guillaume durch den plötzlichen Tod seines Onkels der reichste Erbe der Gegend, wird dementsprechend von der weiblichen Dorfjugend belagert. Nach einigem hin und her und dem finalen Geständnis von Térézine, ihren hartnäckigen Verehrer zu lieben, gibt es ein Happy End samt dem Wunsch des Dorfes, der selbsternannte Arzt und praktizierende Weinhändler möge doch bald wiederkommen.
In Bad Wildbach wurde die Oper unter der musikalischen Leitung von Luciano Acocella mit dem Krakauer Philharmonischen Chor und Orchester frisch beschwingt wiederbelebt. Leider ist die Aufnahmeakustik in der Offenen Halle Marienruhe so ungünstig oder die Mikros so schlecht platziert, dass der Instrumentalklang kantig-hallig, und nicht transparent brillant sowie die Stimmen oft wie von ferne erklingen.
Der klangedle lyrische Tenor Patrick Kabongo als Guillaume vollbringt eine in jeder Hinsicht großartige künstlerische Leistung. Seine elegante Phrasierung, die frei von oben her angesetzten Töne, sein dramaturgisch punktgenaues, wort-gestalterisches Vermögen, all das zeigt große Klasse.
Der mexikanische Bariton Emmanuel Franco als fescher Militarist Joli-Coeur und der italienische Bass Eugenio Di Lieto als gefinkelter Geschäftsmann mit einem Faible für passende ärztliche Diagnosen Fontanarose gestalten ihre Rollen klangschön, voller Witz und nutzen ihre Gelegenheiten der reichlich vorhandenen Situationskomik. Allen drei männlichen Protagonisten gelingen sowohl die französischen als auch die italienischen, von Rossini geprägten Einflüsse der Partitur mit all den Rondeaus, Kavatinen, Cabalettas, strophischen Airs und brillanten Couplets stilistisch vorbildlich.
Die rumänische Sopranistin Luiza Fatyol empfiehlt sich mit ihren scharfen Höhen und Intonationstrübungen überhaupt nicht für die weibliche Hauptrolle der Oper. Für die quecksilbrige Térézine fehlen ihr zudem Leichtigkeit, Flexibilität und eine ebenmäßige Tongebung durch die Register. Adina Vilichi als Jeanette agiert rollendeckend.
Schade. Die Gelegenheit, diese wunderbare komische Oper vokal durchgängig hochwertig und in einer akzeptablen Tontechnik anzubieten, wurde vertan.
Dr. Ingobert Waltenberger