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CD Daniel-François-Esprit AUBER: LE CHEVAL DE BRONZE – Historische Gesamtaufnahme in deutscher Sprache – ORF Studio Februar 1953, ORFEO

02.01.2020 | cd

CD Daniel-François-Esprit AUBER: LE CHEVAL DE BRONZE – Historische Gesamtaufnahme in deutscher Sprache – ORF Studio Februar 1953, ORFEO


Und führe mich nicht in Versuchung


Eine Geschichte aus 1001 Nacht, das will in diesem Fall heißen, ein märchenhaftes China mit verworrenen Liebes- und Heiratssachen standen Pate für Aubers dreiaktige opéra comique „Le Cheval de Bronze“. In der deutschsprachigen Bearbeitung von Engelbert Humperdinck heißt die Oper „Das eherne Pferd“.


Die geplante Verheiratung von Péki (Wilma Jung), Tochter des Bauern Tschin-Kao (Leo Heppe), mit dem in die Tage gekommenen Mandarin Tsing Sing (Franz Fuchs) steht am Beginn der bizarren Handlung. Die arme Péki wäre die fünfte Frau des Mandarin, was dessen vierte Frau Tao-Jin (Edith Kermer) ganz und gar nicht freut. Péki erzählt dem Prinzen Yang, Sohn des Kaisers von China (Tino di Costa), dass sie den mittellosen Bauernburschen Yanko (Kurt Equiluz) liebt, der aber vor sechs Monaten auf einem bronzenen Pferd entschwunden ist. Zurückgekehrt, berichtet der Begehrte vom Zauberpferd, aber nicht im Detail: Eh klar, geht es im Libretto des Eugène Scribe doch ziemlich magisch und verkniffen erotisch zu: Jeder, der in den Sattel des bronzepferdenen Flugkörpers steigt, findet sich auf dem von Frauen beherrschten Planeten Venus wieder. Wenn der Reitersmann 24 Stunden den Avancen einer Gruppe von Weltall-Sirenen, angeführt von der schönen Prinzessin Stella (Herta Schmidt), standhält und keine von ihnen küsst, kann er mit der Frau seiner Wahl auf die Erde zurückkommen. Er muss allerdings versteinen, falls er auf die Idee kommt, zu plaudern. Also wehe dem, der die Wahrheit sagt.


Der edle Kronprinz Yang auf der Suche nach der wahren Liebe befiehlt dem johannistriebigen Mandarin unter Androhung der Enthauptung, gemeinsam mit dem Pferd fortzufliegen. Tsing Sin kommt alleine zurück (der Prinz hatte Stella geküsst) und weil er im Schlaf plappert, wird er genau so wie der lachende Yanko zu Stein. Also entschließt sich die tapfere junge Braut Péki, das Geheimnis zu lüften und besteigt als Mann verkleidet das Ross. Natürlich widersteht sie allen Männerfantasien und damit den Sirenen, nimmt das zauberische Armband Stellas an sich und kann damit ihren Naturburschen Yanko und den Prinzen befreien. Das clevere Mädel will den alten Mandarin aber nur dann ganz befreien, wenn er auf die Hochzeit verzichtet. Zu Schluss Happy End – Péki kriegt ihren Yanko und der Prinz seine intergalaktische Traum-Prinzessin Stella.


„Le Cheval de bronze“
des 53-jährigen äußerst produktiven Opernkomponisten Aubert (insgesamt hat er 40 geschrieben) wurde 1835 mit großem Erfolg uraufgeführt. Musikalisch greift diese ,opéra féerique‘ auf die Belcantogirlanden seines Idols Rossini zurück. Auber trägt dennoch im Grunde ein genuin französisches Opernkleid voller Charme zur Schau: Rüschig schlamperte Couplets, eine leicht wirbelnde Eleganz und Nonchalance der melodischen Eingebung, vor allem aber raffiniert gebaute Ensembles. Letztere weisen Auber als Meister seines Fachs aus. Wie bei allen Vielschreibern (z.B.. Offenbach) ist auch Auber vor manch routiniert gestrickten Nummern nicht gefeit. Hauptsache es wirkt und gefällt. Auber verzichtet im Gegensatz zur späteren Wiener Operette oder Puccini ganz auf eine exotisch gefärbte Tonalität, die Musik ist ganz Paris. Auber hat – kein Nachteil für Melomanen – insgesamt den Frauenstimmen die originellsten, virtuosesten Parts zugedacht.


Die vorliegende Aufnahme mit dem Großen Wiener Rundfunkorchester, dem Niederösterreichischen Tonkünstlerchor unter der lebendigen und temperamentvollen musikalischen Leitung von Kurt Richter ist zwar keine Tonträgerpremiere (es gibt eine Pressung des Labels „Walhalla“ aus dem Jahr 2008), liegt aber nun erstmals in einer vom ORF autorisierten und technisch bearbeiteten Version vor. Das Klangbild ist trotz des Remasterings historisch, das heißt räumlich eng und in den Höhen bisweilen leicht übersteuert. Die Stimme stehen präsent im Vordergrund. Das Ensemble macht – wenn der Hörer stilistisch alle Augen zudrückt – seine Sache ohne Ausnahme sehr sehr gut. Mich freut immer wieder die Begegnung mit individuell timbrierten Stimmen und dem Lauschen einer Künstlerschar, die Textdeutlichkeit, eine sinnliche Farbgebung und pralles Theaterblut auf das selbstverständlichste vereinen konnte. Das interessante Tondokument legt auch Zeugnis vom damaligen Interesse an und der Pflege von Repertoire-Raritäten, Tugenden, die in den 60-er Jahren wesentlich weniger ausgeprägt waren. An szenischen Aufführungen ist zu dieser Oper nicht viel zu finden: An der Komischen Oper Berlin gab es 2012 eine bei der Kritik gemischt aufgenommene szenische Produktion des „Cheval de bronze“.


Hinweis:
Im September 2019 hat der ORF ebenfalls bei ORFEO bereits die opéra comique „Le Maçon“ von Daniel-Francois-Esprit Auber mit Walter Anton Dotzer, Franz Fuchs, Hilde Rössel-Majdan, dem Tonkünstler Orchester Niederösterreich, dirigiert von Kurt Tenner veröffentlicht. Die Aufnahme entstand 1950.

Tipp: Bei Naxos ist kürzlich eine zweite CD mit Ouvertüren Aubers erschienen.


Dr. Ingobert Waltenberger

 

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