CD DANIEL-FRANCOIS-ESPRIT AUBER: LA SIRÈNE – Opéra comique in drei Akten, Tonträger-Weltpremiere; Live Aufführung vom 26. Jänner 2018 aus dem Théâtre Impérial de Compiègne; NAXOS
1844 uraufgeführt, erfreute sich diese musikalische Farce rund um neapolitanisches Theater, Impresarios, Sopran-Sirenen in den Bergen, falsche Herzöge, Banditen (=Operntruppe) und natürlich Liebe in der französischen Hauptstadt eines großen, anhaltenden Erfolgs. Adolphe Adam schrieb ein Potpourri der eingängigsten Melodien, Heinrich Heine pries das Stück als ideale Unterhaltung. Auch Albert Lortzing war ganz angetan von der spritzigen Gangster-Komödie und in Deutschland gab es zwischen 1844 und 1900 neun Auflagen der Partitur.
„La Sirène“ ist eine von 38 Opern, die aus der ungemein fruchtbaren Zusammenarbeit von Auber und Eugène Scribe hervorgingen. Die beiden kannten sich so gut, dass die Arbeitsweise dieser handwerklich geschickten Theaterleute sich manchmal umkehrte: Auber vertonte nicht den Text Scribes, sondern es war der Librettist, der für die musikalischen Ideen Aubers eigens dafür arrangierte Worten lieferte. Der Erfolg ihrer Arbeit rührte nicht zuletzt daher, dass die Stücke in ganz enger Zusammenarbeit mit den ausführenden Künstlern stattfand und die Musik den Sängern sozusagen auf den Leib komponiert wurde. So sollen die vokale Geläufigkeit und der Tonumfang der Sängerin der Titelrolle, Louise Lavoye, höchst bemerkenswert gewesen sein. Die Partie ist gespickt mit diatonischen und chromatischen Läufen, die Vokalisen und Verzierungen im oberen Register erreichen des öfteren das hohe D. Es ist einer der virtuosesten Gesangsparts, den Auber je geschrieben hat.
Sind heute nur noch die Auber-Opern „La Muette de Portici“, „Fra Diavolo“ oder „Le Domino Noir“ einigermaßen bekannt oder zumindest auf CD erhältlich, so schließt der vorliegende Mitschnitt zumindest bruchstückhaft einen kleinen Spalt einer gewaltigen Repertoirelücke. Leider wurde auf das Notenmaterial, das 1849 im Théâtre des Arts de Rouen verwendet wurde, zurückgegriffen. Das bedeutet, drei Nummern wurden ganz weggelassen und das Finale des zweiten Aktes ist nur in stark gekürzter Fassung zu hören. Spielzeit insgesamt: 70 Minuten.
Abgesehen davon kann von einer engagierten, musikalisch lebendigen Wiedergabe berichtet werden. Das Orchestre des Frivolités Parisiennes unter der Leitung von David Reiland, der Chor „Les Métaboles“ (Soldaten und Schmuggler) sowie eine achtköpfige Solistenschar sorgen für eine quecksilbrige Komödie im italienischen Stil, brütenden Sonnenschein und dunkle Leidenschaften inklusive. Jeanne Crousaud als bäuerliche Sirene Zerlina entzückt mit lyrisch unverbrauchtem Material, Dorothée Lorthiois als „alte“ Dienerin Mathéa assistiert mit wissender Anmut. Die höhentigernden Tenöre von Xavier Flabat (der Abenteurer und Wirt Scopetto) und Jean-Noël Teyssier (der junge Matrose Scipion) überstrahlen nicht nur die Ensembles. Die Spielbässe Benjamin Mayenobe (als Intendant Nicolaio Bolbaya) und Jean-Fernand Setti (als sein Gegenspieler Herzog von Popoli) bringen weniger Autorität, als stimmlich grüne Frische ins Spiel. Einen Bariton gibt es auch noch zu vermelden, Jacques Calatayud als Scopettos Kompagnon Pecchione.
Ein gewaschener Opernspaß mit viel zündender Musik und einem jungen Ensembles. Was will das Openrherz mehr?
Dr. Ingobert Waltenberger