CD: Constantin Silvestri dirigiert Debussy, Ravel und de Falla, Bournemouth Symphony Orchestra, Constantin Silvestri, musikalische Leitung, ICA Classics, ICAC5182
Herrliche Klangfarben – Live-Aufnahmen von Constantin Silvestri
Constantin Silvestri, ein Dirigent von außergewöhnlichem Kaliber, bleibt auch Jahrzehnte nach seinem Tod eine faszinierende Figur der Musikwelt. Die neue Veröffentlichung bei ICA Classics öffnet eine Tür zu seinem musikalischen Universum mit seltenen Live-Aufnahmen, die nicht nur durch die herausragende Qualität des Dirigats bestechen, sondern auch einen Blick auf Silvestris interpretatorische Vielfalt und seinen unverkennbaren Stil werfen. Diese Sammlung spanisch inspirierter Werke von Debussy, Ravel und de Falla zeigt Silvestris Fähigkeit, Musik als lebendige Erzählung zu gestalten, die von pulsierender Energie und schillernden Farben durchdrungen ist. Begleitet wird er dabei vom Bournemouth Symphony Orchestra, das unter seiner Leitung zu einem klanglichen Spitzenensemble gereift ist.
Constantin Silvestri wurde 1913 in Bukarest geboren und galt schon früh als musikalisches Wunderkind. Seine Karriere begann er als Pianist und Kapellmeister, bevor er 1930 als Dirigent des Radio-Sinfonieorchesters Bukarest Aufmerksamkeit erregte. Während seiner Amtszeit als Chefdirigent des Bukarester Philharmonischen Orchesters ab 1945 führte er das Ensemble zu internationalem Renommee. Silvestri emigrierte 1956 nach Paris und fand bald eine zweite künstlerische Heimat im Vereinigten Königreich. Dort leitete er u. a. das London Philharmonic Orchestra und später das Bournemouth Symphony Orchestra, dessen Klangkultur er maßgeblich prägte. Sein breites Repertoire, von der Romantik bis hin zur Moderne, wurde von führenden Orchestern auf zahlreichen Einspielungen verewigt. Silvestris persönlicher Stil – ein Mix aus technischer Präzision, intuitivem Musizieren und einer tiefen Verbindung zur Musik – macht ihn zu einer der faszinierendsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Die nun veröffentlichten Aufnahmen, die aus seiner Privatsammlung stammen, dokumentieren seine enge Beziehung zur Musik mit spanischen Einflüssen und zeigen, warum er als ein Meister der musikalischen Farben gilt.
Debussys „Iberia“, der zweite Teil der „Images pour orchestre“, ist eine impressionistische Liebeserklärung an die Atmosphäre Spaniens. Silvestri entfaltet in dieser Aufführung die ganze Bandbreite der Klangfarben. Vom lebhaften Treiben eines spanischen Festes über die geheimnisvollen Klänge der Nacht bis hin zum rhythmischen Puls der Straßenmusik – jedes Bild wird mit einer solchen Präzision und Leidenschaft gemalt, dass der Zuhörer förmlich in die Szenerie eintaucht. Besonders hervorzuheben ist Silvestris Fähigkeit, die komplexe Struktur des Werkes durchsichtig zu gestalten und dabei den emotionalen Fluss nie zu unterbrechen.
Das Bournemouth Symphony Orchestra beweist hier seine enorme Wandlungsfähigkeit. Unter Silvestris Leitung werden die Instrumentengruppen zu einer perfekten Einheit verschmolzen, ohne ihre individuellen Charaktere zu verlieren. Der Dirigent zeichnet sich durch eine intuitive Kontrolle von Dynamik und Phrasierung aus, was dem Werk eine starke erzählerische Qualität verleiht.
Ravels „Pavane pour une infante défunte“ ist ein zarter musikalischer Nachruf, der Eleganz und Nostalgie vereint. Silvestri interpretiert das Werk mit einer Ruhe und Introspektion, die selten erreicht wird. Die Streicher des Bournemouth Symphony Orchestra singen mit einem weichen, sehnsuchtsvollen Klang, während die Holzbläser in ihren Einsätzen eine ergreifende Wärme und Transparenz zeigen. Silvestri versteht es, die Balance zwischen Formstrenge und Gefühl zu halten. Seine Gestaltung der Phrasen zeugt von höchstem musikalischem Feinsinn, und das Orchester folgt ihm mit Hingabe und technischer Brillanz. Besonders beeindruckend ist die subtile Artikulation, die Ravels Klangwelt in all ihren Schattierungen erstrahlen lässt.
In Manuel de Fallas „Nächte in spanischen Gärten“ vereint sich orchestrale Finesse mit pianistischem Glanz. Die Solistin Sylvie Mercier interpretiert die impressionistischen Klavierpassagen mit geschmeidiger Eleganz und einer tief empfundenen Musikalität. Ihre klare Artikulation und ihr sensibles Gespür für die Dynamik des Werks verleihen der Musik eine geradezu magische Lebendigkeit. Silvestri und das Bournemouth Symphony Orchestra begleiten sie mit einem instinktiven Gespür für das Zusammenspiel zwischen Solistin und Orchester. Mercier beeindruckt mit ihrem leuchtenden Klang und der Fähigkeit, in den Dialog mit dem Orchester einzutreten, ohne die Balance zu stören. Silvestri greift die musikalischen Ideen der Solistin auf und spinnt sie weiter, wodurch eine organische, kammermusikalische Verbindung entsteht. Das Orchester selbst brilliert durch seine Farbigkeit und rhythmische Präzision.
Die Suiten aus de Fallas Ballett „Der Dreispitz“ schließen die Aufnahme mit einem temperamentvollen Feuerwerk ab. Silvestri bringt die Dramatik und Spielfreude dieses Werks mitreißend zum Ausdruck. Die tänzerischen Elemente und die volksmusikalischen Einflüsse, die dieses Ballett durchziehen, werden mit einer Leichtigkeit und einem Schwung dargeboten, die den Zuhörer förmlich von den Sitzen reißt. Silvestri lässt das Bournemouth Symphony Orchestra in seiner ganzen Virtuosität aufblühen. Die Bläser glänzen mit brillanten Soli, während die Streicher durch ihre Präzision bestechen und durch engagierte Schlagzeuger furios ergänzt werden. Die Energie, die Silvestri aus der Partitur herausholt, ist ansteckend und macht diese Aufnahme zu einem echten Erlebnis.
Diese Veröffentlichung von ICA Classics ist mehr als nur eine Sammlung seltener Live-Aufnahmen – sie ist ein Denkmal für die Kunst Constantin Silvestris. Seine Fähigkeit, Klangfarben und Strukturen mit außergewöhnlicher Klarheit und Tiefe zu verbinden, macht diese Aufnahmen zu einem Muss für Liebhaber fein nuancierter Interpretationen. Silvestri, das Bournemouth Symphony Orchestra und Solistin Sylvie Mercier schaffen hier eine Hommage an die spanisch inspirierte Musik, die in ihrer Lebendigkeit und Emotionalität begeistert.
Dirk Schauß, im Januar 2025
Constantin Silvestri dirigiert Debussy, Ravel und de Falla
Bournemouth Symphony Orchestra
Constantin Silvestri, musikalische Leitung
ICA Classics, ICAC5182