CD „CONCERTI ALL’ARRABBIATA“: Das FREIBURGER BAROCKORCHESTER unter GOTTFRIED von der GOLTZ spielt ; Aparte
Öl, Knoblauch, Tomaten und Chili sind die klassischen Ingredienzien, mit denen Gerichte wie Spaghetti all’arrabbiata oder Penne all’arrabbiata zubereitet werden. Geriebener Pecorino drüber rund fertig ist die mehr oder weniger scharfe Angelegenheit. Aber auch eine durchaus empfehlenswerte Fernsehserie vom Mai 2021, in der weniger Tomaten, sondern eher Mafiageld unsanft reingewaschen wird, lautet auf den vielsagenden Titel “Spätzle arrabbiata oder eine Hand wäscht die andere”.
Auf dem vorliegenden Album des Freiburger Barockorchesters unter der Leitung von Gottfried von der Goltz werden unter dieser dem römischen Dialekt entstammenden derb-kulinarischen Bezeichnung jeweils ein Konzert von Georg Philipp Telemann, von Giovanni Benedetto Platti, von Antonio Vivaldi und von Francesco Geminiani zusammengefasst. Was in Anbetracht der doch sehr feingliedrigen Musik vor allem des Platti in seinem Konzert in g-Moll für Oboe, Streicher und Continuo, aber auch der zwei anderen Italiener Vivaldi und Geminiani nichts weniger als ein ausgemachter Unsinn ist.
Da gibt es nämlich so gar keinen grob gehackten Knofel samt zerquetschter Chilischote zu hören, viel eher champagnerisieren die Streicher mit Seidenhandschuhen um die Wette mit Oboe, Fagott oder Cello. Denn Gottfried von der Goltz, Dirigent, aber auch Primgeiger, serviert uns Barockmusik comme il faut, mit dem richtigen Gespür für Schwung und Tempo, gut justierter Balance zwischen Soli und Streichern, aber auch mit Sinn für die quasi in Zeitlupe seufzenden melancholisch-weltabgewandten Sätze des Largo bzw. Larghetto im Platti- bzw. Vivaldi-Konzert. Das die CD eröffnende Konzert von Telemann für zwei Hörner leidet für meine Ohren unter dem uneleganten Gescheppere der Naturhörner. Meine grundsätzlich positive bis begeisterte Annahme der historisch informierten Aufführungspraxis endet dort, wo die Musik unschön und hart rüberkommt. Dafür entschädigt Telemanns Sinfonia in G-Dur für Piccolo, Chalumeau (ein altes Holzblasinstrument), zwei Kontrabässe, Streicher und Continuo (durchaus doppelsinnig als “Grillensymphonie” bekannt) mit raffinierten Farbgebungen und onomatopoetisch dem sommerabendlichen Insektenzirpe folgenden Humor.
Das spannendste Stück des Albums ist das Concerto grosso in d-Moll für zwei Violinen, Cello, Streicher und Continuo “La Follia” des Francesco Geminiani. Hier fahren die Rhythmen dem Hörer direkt in die Beine. Mit höfischer Strenge, d.h. “nicht so doll”, versteht sich. Das Muster Adagio-Allegro-Adagio-Vivace- Allegro- Andante und so weiter folgt dem organischen Prinzip des Dehnens und Komprimierens. Die von Burney überlieferte Bezeichnung als musikalische Kochkunst bezog sich darauf, dass Geminiani seine Concerti grossi Op. 3 auf die Violinsonaten von Corelli stützte.
Das Freiburger Barockorchester pflegt auch hier die gewohnt feine Klinge und spielt schlank, mit behutsamer, niemals manierierter Temporegie und stets transparentem Orchesterklang. Allerdings ist an dieser Musik nach landläufigem Hörverständnis weder etwas erotisch, hypnotisch und schon gar nicht mit einer (giftigen) Prise Crystal Meth gewürzt. Dem Text im Booklet sei hier ausdrücklich widersprochen.
Dr. Ingobert Waltenberger