Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

CD CLAUDIO MONTEVERDI: VESPRO DELLA BEATA VERGINE; Il Gusto Barocco; Jörg Halubek; cpo

13.01.2021 | cd

CD CLAUDIO MONTEVERDI: VESPRO DELLA BEATA VERGINE; Il Gusto Barocco; Jörg Halubek; cpo

0761203531424

 

Die Marienvesper Monteverdis ist ein Spitzenwerk der abendländischen Musikgeschichte. Referenz dürften die Gardiner-Aufnahmen sein, viele werden auch die hochspirituelle Einspielung unter Jordi Savall zu schätzen wissen. Mit der neuen cpo-Publikation haben wir eine neue Aufnahme der Superlative im Katalog. 

 

Im Mai 1610 in der Basilika Palatina Santa Barbara in Mantua zu Ehren der Töchter des Francesco Gonzaga uraufgeführt, repräsentieren die Vespern den Aufbruch in bislang unerforschte Galaxien musikalischer Ausdruckskraft und zeremonieller Prachtentfaltung: Verschiedene Richtungen wie stile antico und stile moderno werden unter einen Hut gebracht. Höfischer Pomp wird mit expressiver Kraft und instrumentalem Glanz garniert. Ein intensives, aus dem Text strömendes recitar cantando erschließt sinnstiftende Tiefe. Die Einbeziehung von Raum und Akustik führen zu einer spektakulären Dreidimensionalität in der polyphonen Kunst. Laut Savall haben wir es hier mit einer unerwartet „günstigen Kombination der modalen, tonalen und chromatischen Techniken“ zu tun. Dabei handelt es sich auf den ersten Blick in die Partitur der „Vespro della beata vergine“ nicht um ein in sich geschlossenes Werk, sondern um über canti firmi komponierte „geistliche Gesänge für Kapellen und fürstliche Privatgemächer.“ Die Fünf Vesperpsalmen, verschiedene Concerti samt Magnificat sollen einen Vespergottesdienst simulieren. Dennoch gibt es einen künstlerischen Bogen, der sich von der ersten bis zur letzten Note spannt.

 

Das Aufregende in der Interpretation Alter Musik – insbesondere von Monteverdi – ist die Subjektivität, die aus persönlichen Sichtweisen auf Textvortrag, Verzierungen, Dynamik oder Tempi erwächst und jede Aufführung hin zum Unverwechselbaren prägt. Jörg Halubek leitet die neue Aufnahme mit dem dem Originalklang verpflichteten, voll klingenden  Stuttgarter Barockorchester „Il Gusto Barocco“ und den herrlich individuell timbrierten Stimmen von Alena Dantcheva, Natasha Schnur (Sopran), Andrea Gavagnin, Ophelia Klumpp (Alt), Jakob Pilgram, Michael Römer, Dávid Szigetvári, Johannes Weiss (Tenor) und Lisandro Abadie, Geoffroy Buffière (Bass). Insbesondere Soprane und Tenöre überzeugen uneingeschränkt. Dass sie alle Monteverdi können, bezeugt allein die Tatsache, dass das Stuttgarter Orchester samt Chef seit 2017 für den vierteiligen Monteverdi-Zyklus am Mannheimer Nationaltheater engagiert sind. Die vorliegende Einspielung entstand im Anschluss an die Aufführungen der szenischen Produktion (Regisseur Calixto Bieito) als dritter Teil des Zyklus‘.

 

Diese aus der Bühnenerfahrung erwachsene Konstellation erweist sich als anspornender Impuls. Die im gemeinsamen Tun zusammengeschweißte Truppe ist hinsichtlich Lebendigkeit des Vortrags, schlafwandlerische Verschränkung von Gesang und Instrumenten sowie emotionaler Interaktion exzellent. Wie der Dirigent Halubek im Booklet anmerkt, gibt es bei der Marienvesper „einen opernhaften Klangreichtum“, der sich nicht zuletzt aus Zitaten und einer stilistischen Nähe zu den Opern Monteverdis speist. 

 

Man könnte die Lesart über den theatralischen Aspekt hinaus als enorm spannungsreich und vielleicht sogar exzentrisch bezeichnen, was der Intention des Schöpfers als auch der Intensität des Hörerlebnisses keinen Abbruch tut. Kirchenmusik als glanzvolle Zerstreuung des Adels? Wohl ja. Auch heute können wir uns von den kunstfertigen Melismen der Sängerschar und der himmelsköniglichen Instrumentalbegleitung genüsslich berauschen lassen. Das Album träufelt die richtige Tinktur ins Ohr, um zum eingefleischten Marienverehrer zu werden. Empfehlung!

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken