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CD CLAUDIO MONTEVERDI „Il delirio della passione“ ANNA LUCIA RICHTER, Ensemble Claudiana, Luca Pianca; Pentatone   

21.03.2021 | cd

 

CD CLAUDIO MONTEVERDI „Il delirio della passione“ ANNA LUCIA RICHTER, Ensemble Claudiana, Luca Pianca; Pentatone 

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Nach dem Schubert Album “Heimweh” meldet sich Anna Lucia Richter mit einem “Best of- “Monteverdi Album wieder bei Pentagone zurück. “Delirium der Leidenschaften” nennt der Verlag das Wunschkonzertprogramm, das sich u.a. aus dem Prolog zu “L’Orfeo”, dem berühmten “Lamento d’Arianna”, dem Schluss-Liebesduett aus “L’Incoronazione die Poppea“ (‚Pur ti miro‘), Kostproben aus den Scherzi Musicali, Geistlichem wie “Confitebor tibi Domine“ und dem “Lamento della Ninfa“ aus den ‚Madrigali guerreri et amorosi‘ zusammensetzt. 

 

Der hohe musikalische Rang des Albums verdankt sich nicht zuletzt dem “Ensemble Claudiana” unter der musikalischen Leitung von Luca Pianca, der im kleinen Instrumentalensemble mit Andrea Inghisciano (Kornett), Dimitri Sinkovsky & Elena Davodiva (Violinen), Marco Frezzato (Cello), Margret Köll (Harfe), Jeremy Joseph (Cembalo und Orgel) sowie Luca Marini (Schlagzeug) selbst für Erzlaute, Theorbe und Ceterone zuständig ist. Sie begleiten die Sopranistin und unterlegen ihre melancholischen Klagen, die tänzerisch inspirierten oder drastisch ironisch gefärbten Gesänge jeweils mit dem zugleich fragilen und doch so handgreiflich erdig, mit Blick zu einem ganz eigenen Himmel gerichteten  Sound, der für Monteverdi so wichtig ist. Besonders der Cembalist Jeremy Joseph fällt mit der Vielzahl mit großer Meisterschaft erwirkten Ausdrucksnuancen in Anschlag und Tongebung positiv auf. Seinem Instrument entlockt er zärtlich die jeder Konvention entkleideten Seelenzustände der Solistin umschmeichelnde perlmuttfarbene Tonketten, kann aber auch mit einem Rausch an glitzernden Noten-Feuerwerksraketen expressive Lebensfreude entfesseln.

 

Anna Lucia Richter hat sich gut vorbereitet. Das Album wurde im Jänner 2020 noch vor Ausbruch der Pandemie in der Schweiz aufgenommen und markiert ihren letzten Auftritt im Sopranfach auf Tonträgern. Sie hat sich nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, einen Fachwechsel zum Mezzosopran vorzunehmen. 

 

In jedem Ton ist zu spüren, dass diese Musik eine Herzensangelegenheit der Sängerin ist. Sie bewegt sich im ariosen Furor zwischen Parlando und himmlischen Legatobögen flott und elegant wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Dass die Deklamation der poetischen Vorlagen so auf den Punkt getroffen gerät, ist wohl auch ihrer intensiven Spracharbeit mit Serena Malcangi zu verdanken. 

 

Die Covergestaltung, ganz in grell psychedelischen Farben gehalten, entspricht optisch dem musikalischen Röntgenblick, den die Anna Lucia Richter auf die Figuren und ihre teils dramatischen Befindlichkeiten und Situationen wirft. Dementsprechend gestaltet die Richter die Porträts der Frauen mit ausdrucksstarken, gleichzeitig gestochen präzisen Verzierungen. Sie verleiht den Versen durch bewusst platzierte Portamenti und einen detailgenaue Gestaltung der Phrasen semantische Bedeutungstiefe. 

 

Bei aller Detailgenauigkeit gelingen große Bögen, fügen sich die interpretierten Noten zu pastosen barocken Klanggemälden. “Eine Arianna, die schreiend vor Schmerz ins Meer rennt, die außer Atem ist, sich ertränken möchte und sich gegen die Rettung der Fischer wehrt, die beginnt nicht leise und  süß zu singen. Auch die kleinen Chöre, deren Texte zwischen Ariannas Strophen notiert sind, kommentieren das Geschehen. An Stelle der Chöre hat Luca Pianca kleine instrumentale Intermezzi gesetzt.” gibt Anna Lucia Richter Einblicke in ihre persönliche und des Ensembles Werkstatt. “So hat jedes Stück ein mich begeisterndes Charakteristikum, das ich besonders behandeln wollte. Sei es die fast unverschämte Ironie und der Humor in “Ohimé ch’io cado” oder das auf die Spitze getriebene und daher ebenfalls ironisch gefärbte Selbstmitleid in “Et é pur dunque vero” und “Zefiro torna”, die orientalischen Einflüsse in “La mia turca”, die Erotik des “Pur ti miro”, das aus dem Blickwinkel unserer Zeit erstaunlich weltlich klingende “Confitebor” und das weniger Menschliche als Göttliche des Prologes der “Musica”. 

 

Annas Lucia Richter intoniert mit ihrem klaren, charmant timbrierten und perfekt sitzenden Sopran lupenrein, weiß auch rhythmisch mit spielerischer Leichtigkeit zu überzeugen. Musikalischer Ausdruck und ein hoch individueller Zugang zur Musik und ihren unendlichen Nuancen gehen vor Virtuosität und der Zurschaustellung technischer Möglichkeiten. 

 

Ein Barockalbum, das Freude bereitet. Hier seien auch ihre vokalen Mitstreiter Dimitri Sinkovsky (Countertenor), Ciro Aroni, Theo Aroni (Tenor) und Alessandro Ravasio (Bass) ausdrücklich lobend erwähnt.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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