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CD CLARA SCHUMANN, C.M von WEBER Klavierkonzerte, LUISA IMORDE und die BREMER PHILHARMONIKER; Berlin Classics

10.05.2023 | cd

CD CLARA SCHUMANN, C.M von WEBER Klavierkonzerte, LUISA IMORDE und die BREMER PHILHARMONIKER; Berlin Classics

Repertoireraritäten leidenschaftlich dargeboten – „Wir spielen so oft die Früchte der Frühromantik, aber selten ihre Wegbereiter“ L. Imorde

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Die deutsche Pianistin Luisa Imorde hat sich schon mit ihren bisherigen Alben als ausgesprochen experimentierfreudige und kluge Programmgestalterin hervorgetan. Jörg Widmann und Schumann, Couperin und Messiaen, Beethoven, Mozart und Wölfli hat sie miteinander aufschluss- wie ausdrucksreich kombiniert. Nun widmet sich die Pianistin Luisa Imorde zwei frühromantischen Raritäten: dem Klavierkonzert in a-Moll Op. 7 von Clara Schumann und dem Klavierkonzert Nr. 1 in C-Dur, Op. 11 von Carl Maria von Weber. Die beiden so hörenswerten Konzerte bilden die Klammer der CD, die dazu noch ‚wortlose‘ Klavierarrangements der Clara Schumann von den Robert Schumann-Liedern „Der Nussbaum“ op. 25 Nr. 3, „Widmung“ op. 25 Nr. 1, „Lotosblume“ op. 25 Nr. 7 (aus den „Myrthen“ Op. 25), „In der Fremde“ op. 39 Nr. 1 und „Mondnacht“ op. 39 Nr. 5 (die letzteren beide aus dem „Liederkreis“ Op. 39) sowie vier kurze Klavierstücke von Weber (Allemande Op. 4 Nr. 1, Max-Walzer, Favorit-Walzer und Adagio patetico in cis-moll) enthält.

Was ist es nun, dass den Zusammenhalt der beiden Konzerte im Innersten erhärte? Der jeweils zweite Satz der beiden so beschwingten wie romantisch schwärmerischen Stücke ist kammermusikalischen Charakters. Clara Schumanns „Romanze. Andante non troppo con grazia“ wird als zärtlich sich umgarnendes Duett von Klavier und Cello bestritten, während Weber sein “Adagio“ ungewöhnlicherweise mit zwei Celli, Bratsche, Kontrabass, zwei Hörnern und Klavier instrumentierte. Wie Luisa Imorde im Interview darauf hinweist, eint beide Konzerte darüber hinaus ein tänzerischer Duktus (Finali), sowie die Tatsache, nicht am Stück geschrieben und aufgeführt worden zu sein. C. Schumann als auch Weber schrieben den ersten Satz zuletzt. Im heutigen Konzertusus völlig unvorstellbar, wurden da Webers Satz zwei und drei schon häufig für sich gespielt, desgleichen erklang der letzte Satz des C. Schumann Konzerts vor Publikum, bevor das Werk vollendet war. Die Uraufführung des kompletten Schumann Konzerts fand am 9. November 1835 unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy im Leipziger Gewandhaus mit Clara am Klavier statt.

Das Album darf nicht zuletzt als Hommage an die große Liebe wie künstlerisch respektvolle Zusammenarbeit von Clara und Robert Schumann gelten. Robert Schumann orchestrierte den letzten Satz von Claras Konzert, während Clara 30 Lieder von Robert für Klavier solo arrangierte, darunter einige aus dem Zyklus „Myrthen“, den Robert seiner Angebeteten zur Hochzeit schenkte. Clara Schumann hat die Musik ihres Mannes bei ihrer Adaption nicht benutzt, um ihre eigene Handschrift darauf zu setzen, sondern die Gesangstimme sachte in den Klavierpart integriert. Imorde: „Diese Art von Liebeserklärung an Roberts Musik finde ich sehr bewegend und unglaublich authentisch.“

Das Klavierkonzert der Clara Schumann, die den letzten Satz bereits im Alter von nur 13 Jahren komponiert hat, ist mein Favorit des Albums. Was und wie Clara im ersten Satz und in der Romanze von intimen Gefühlen, freudigem Überschwang, kribbelnder Sehnsucht zu erzählen weiß, spricht von einer durch und durch edlen Seele. Das „Finale Allegro non troppo“ mit dem markant vitalen Eingangsthema im Dreivierteltakt sprüht vor Energie und Passion. Luisa Imorde und ihrer schlafwandlerischen Musikalität, ihrem untrüglichen Feeling für Tempi, Rubato und Phrasierung ist es zu verdanken, dass das tonsetzerische Wunder Clara Schumann angemessen zur Geltung kommt und vom Publikum dementsprechend gewürdigt werden kann.

Marie Jacquot, designierte erste Gastdirigentin Wiener Symphoniker ab 2023/24, bevor sie mit der Spielzeit 2024/25 Chefdirigentin des Royal Danish Theatre Kopenhagen wird, leitet die Bremer Philharmoniker in den Konzert-Aufnahmen aus dem Jahr 2017 mit jugendlichem Schwung und spürbarer Hingabe. Besonders zu erwähnen ist der orchestrale Impetus im „Allegro“ und „Presto“ des ersten Weber-Konzerts, das zu Unrecht ein – wenngleich musikgeschichtlich begründbares (Imorde: „Wenn ich ein Klavierkonzert zwischen Beethovens fünftem und Robert Schumanns Op. 54 schreiben müsste, dann könnte ich mir keine herausfordernde Aufgabe vorstellen.“)  – Schattendasein im aktuellen Klavierbetrieb darstellt.

Die fünf ausgewählten Lieder Clara/Robert Schumann gestaltet Imorde in atemberaubender, unnachahmlich agogischer Geschmeidigkeit. Im „Nussbaum“ scheint die gesamte Natur zu wogen und sich im Einklang mit Wind und Sonne zu wiegen. Imorde macht daraus einen bunt blühenden Frühlinghymnus im Kleinen, während die von ihr emotional subtil ausgeleuchtete „Widmung“ als eine der unfassbarsten Liebesbezeugungen der Musikgeschichte zu Tränen rührt. Abwechselnd zu diesen „Liedern ohne Worte“ mischt Luisa Imorde Miniaturen für Klavier solo von Weber, wie den für seinen Sohn Max Maria verfassten charmanten „Max-Walzer“ oder den der Kaiserin von Frankreich gewidmeten „Favorit-Walzer.“

Tipp: Rares liebevoll wie pikant gewürzt!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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