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CD CHRISTOPH DEMANTIUS: JOHANNES-PASSION – Ensemble Polyharmonique mit Alexander Schneider; cpo

15.04.2025 | cd

CD CHRISTOPH DEMANTIUS: JOHANNES-PASSION – Ensemble Polyharmonique mit Alexander Schneider; cpo

Mein persönlicher Passionsmusikentipp 2025

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Johann Sebastian Bachs große Passionen liegen in unzähligen Einspielungen vor und sind daher in den Plattenregalen, aber auch auf den Spielplänen der Konzerthäuser dieser Welt nach wie vor bestens vertreten. Wenn wir in der Zeitlinie etwas zurückgehen und einmal den Blick bzw. das Ohr auf das polyphone Vokalschaffen protestantischer Komponisten des 17. Jahrhunderts richten wollen, dann bietet das neue Album des hier sechsstimmigen Vokalensembles Polyharmonique unter der Leitung des Altisten Alexander Schneider eine großartige und musikalisch berückende Alternative.

Den Kern dieser von den Ausführenden selbst kompilierten einstündigen Karfreitagsmusik bilden sechs Kompositionen von Christoph Demantius, eines im Reichenberg (Böhmen) geborenen Musikers, der nach Stationen in Wittenberg und Zittau im sächsischen Silberbergbaustädtchen Freiberg fast 40 Jahre lang bis zu seinem Tod 1643 die Funktion eines Domkantors ausübte.

Die äußerst kunstvollen, ausdruckstheatralisch durchwirkten, subtil wortausdeutenden, rhythmisch-harmonisch experimentellen Vokalsätze fußen stilistisch in der Renaissance, verdanken jedoch dem Übergang zur Frühbarocke eine persönliche, dem Erlöser-Leiden adäquate, gleichzeitig individuelle Note.

Wir hören und staunen über die unverwechselbare Originalität und die harmonische Kühnheit der jeweils dreiteilig konzipierten „Weissagung des Leiden und Sterben Jesu Christi“ nach den alttestamentarischen Prophezeiungen des Jesaja und der „Passion nach dem Evangelisten Johannes.“ Sie werden auf dem Album zart von einem Basso continuo, bestehend aus einer Laute (Michael Freimuth) und einem Orgelpositiv (Klaus Eichhorn) begleitet.

Rund um diese Musiken des Christoph Demantius hat Alexander Schneider in dramaturgischer Stringenz vor allem Kompositionen von Andreas Hammerschmidt, lange Jahre Organist in Freiberg, angeordnet: Die Madrigal Motette „Ach, Jesus stirbt“, Intermedium I: „Ich leide nach meinem verdienten Lohn“ des Schächers am Kreuze, dem Jesus den tröstlichen Satz ‚Wahrlich, heute wirst du mit mir im Paradies sein‘ erwidert, „Erbarm dich mein“, die Evangelien-Motette „Unser Herr Jesus Christ“ sowie als Conclusio die Choral-Motette „Herzlich lieb ich dich“, letztere beide aus den sechsstimmigen Fest- und Zeitandachten.

Aber auch weitere Sätze (sog. „geistliche Konzerte“) von Daniel Selichius („Meine Seele ist betrübt“), Heinrich Schütz („O hilf, Christe Gottes Sohn“), Samuel Scheidt („Herzlich tut mich verlangen“) und Johann Hermann Schein („O Lamm Gottes unschuldig“) kommentieren eine Erzählung, die scheinbar frugal in den musikalischen Mitteln, mit einem unvorstellbaren Raffinement in den kontrapunktischen Durchführungen als auch der vokal stets noblen atmosphärischen Stimmungsmalerei besticht.   

Das Ensemble Polyharmonique kann gar nicht genug gewürdigt werden ob des luminösen Pulsierens des Vortrags, der federnden Phrasierung, der Lupenreinheit der Intonation und nicht zuletzt der individuell timbrierten, dennoch harmonisch aufeinander abgestimmten Stimmen seiner Sängerinnen und Sänger. Magdalena Harer (Sopran), Joowon Chung (Sopran), Alexander Schneider (Alt), Johannes Gaubitz (Tenor), Thomas Köll (Tenor) und Matthias Lutze (Bass) leiten den Hörer in aller Wortdeutlichkeit, soweit dies bei der komplexen Polyphonie möglich ist, und himmlischer vokaler Exzellenz durch die so schlüssig dramatisierte und emotional tröstlich durchlebte Leidensgeschichte Jesu Christie. Der Spagat zwischen erzählerischer Expressivität und atemberaubend klangschön gesungener Stimmengeflechte gelingt ihnen vorzüglich.

Kostprobe gefällig? https://www.youtube.com/watch?v=zksWpqqenkc

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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