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CD CHRISTIAN THIELEMANN dirigiert RICHARD STRAUSS – Edition Staatskapelle Dresden Vol. 44, mdr Kultur, Profil Hänssler

06.01.2019 | cd

CD CHRISTIAN THIELEMANN dirigiert RICHARD STRAUSS – Edition Staatskapelle Dresden Vol. 44, mdr Kultur, Profil Hänssler

 

Beim legendär schwierig wie schönen Hornkonzert Nr. 1 von Richard Strauss – Orchester-Vorspielkandidaten können ein Lied davon singen – sind der diesjährige Dirigent des Wiener Neujahrskonzerts, Christian Thielemann, vor allem aber die Sächsische Staatskapelle in ihrem ureigenen Element. Im Fußballchargon wird dies Heimspiel genannt. Schon Richard Strauss schwärmte von seinen „lieben Dresdnern“, neun seiner Opern wurden in der Elbstadt uraufgeführt, die ,Alpensymphonie‘ hat er dem Orchester gewidmet.  

 

Die neueste Publikation der Edition Staatskapelle Dresden wartet mit einem Raritätenprogramm auf: Von der 1882 vom Tonkünstler-Verein zu Dresden aus der Taufe gehobenen mit frühem Einfallsreichtum sprudelnden Serenade in Es-Dur op. 7, der Sonatine für Bläser Nr. 1 F-Dur o. op. 135 „Aus der Werkstatt eines Invaliden“ bis hin zu den 1946 in Zürich uraufgeführten  „Metamorphosen“ für 23 Solostreicher o. op. 142. 

 

Im Zentrum des Albums steht jedoch das überaus charmante “Concert für das Waldhorn”, Op. 11. Dem Solohornisten der Königlichen musikalischen Kapelle in Dresden, Oscar Franz, gewidmet, ist es nun der langjährige Solohornist der Sächsischen Staatskapelle, Robert Langbein, dem der Lorbeerkranz gebührt. Mit bronzenem Ton lässt er sein luxuriöses Instrument die herrlich frischen Kantilenen singen, von einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit getragen, als könnt‘s nicht anders sein. Wer einmal dieses Instrument spielen zu lernen versucht hat, weiß, welche Kunst es ist, einen ebenmäßig steten Ton oder gar intervallreiche Phrasen ohne Kiekser  zu modellieren. Schöner, aufregender und nonchalanter mit dem Orchester dialogisierend als der gebürtige Chemnitzer Professor Langbein das vorführt, kann das nicht interpretiert werden. 

 

In seiner siebenten Dresdner Saison ziehen Christian Thielemann und die Dresdner Staatskapelle hörbar an einem Strang. Der Livemitschnitt des 4. Symphoniekonzerts vom 24.1. 2014 im Rahmen der Richard Strauss-Tage war eine Sternstunde an kammermusikalischer Finesse und goldschnörkelig-spätromantischer Klangspielerei unter Könnern. Davon zeugen die für Strauss‘sche Verhältnisse klein besetzte an  den Vorbildern Mozart und Brahms orientierte Serenade in Es-Dur für zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, vier Hörner, vier Fagotte und Kontrafagott sowie die späte, durchaus nicht kleine Sonatine Nr. 1 in F-Dur für zwei Flöten, zwei Oboen, drei Klarinetten, Bassetthorn, Bassklarinette, vier Hörner, zwei Fagotte und Kontrafagott. 

 

Letzteres über 30 Minuten lange Werk bezeichnete Strauss selbstironisch als „Schreibtischvergnügung zum Zeitvertreib, da man nicht den ganzen Tag Wieland lesen und Skat spielen kann.“ Freilich ist das nicht so. Das Kriegsexzesse (legitimerweise)  ignorierende, in seiner unbedingten Ausgewogenheit zwischen Holz und Blech im künstlerischen Eigenexil nur dem Variantenspiel in absolut musikalischer Substanz geschuldete Werk darf auch heute getrost in seiner puren Schönheit vergleichbar den vier letzten Liedern genossen werden. Besonders Romanze, Menuett und Andante des zweiten Satzes sind elegische Abgesänge, prächtig tönende Sonnenuntergänge, bevor das Finale heiter tänzelnd in eine schwerelose Zukunft weist. Torsten Blaich: “Der breite musikalische Pinselstrich und die feine Bleistiftzeichnung stehen sich in vielfachen Nuancierungen gegenüber, die Partitur ist geprägt durch den beweglichen Wechsel zwischen aufgelockertem Satz einerseits, aus dem einzelne Instrumente nicht selten mit virtuosen Einwürfen hervortreten, und volltönender symphonischer Kompaktheit.”

 

Die “Metamorphosen”, Studie für 23 Solostreicher, von Strauss ebenso als Atelierarbeit seiner Spätzeit qualifiziert, wurden ebenfalls live, am 15. Mai 2014 in der Semperoper aus Anlass des 150. Geburtstages des Komponisten mitgeschnitten.  Zum Vergleich mit demselben Orchester gibt es etwa die berühmte Aufnahme mit dem nach wie vor unübertroffenen Rudolf Kempe, auch Omar Suitner und Giuseppe Sinopoli haben die Metamorphosen mit den Dresdnern auf Silberscheibe gebannt. Ein bewegender Klagegesang über Zerstörung und eine in Trümmern liegende Welt, im Hauptthema dem Trauermarsch in Beethovens Eroica anverwandt. In dunklen gedeckten, von innen glühenden Streicherfarben gelingt den Dresdnern hier eine berührende, ja verstörend intensive Wiedergabe. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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