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CD CHOPIN INTIME – JUSTIN TAYLOR spielt auf einem Pianino Pleyel 1839; Alpha

18.05.2025 | cd

CD CHOPIN INTIME – JUSTIN TAYLOR spielt auf einem Pianino Pleyel 1839; Alpha

pias

Nicht jeder Versuch, Musik auf Instrumenten der Zeit zu spielen, überzeugt. So kam der feinsinnige französische Pianist und leidenschaftlich an historischen Tasteninstrumenten interessierte Justin Taylor auf die Idee, einen Großteil der 24 Préludes Op. 28, einige Nocturnes, Études und Mazurkas von Frédéric Chopin auf einem Pianino der Firma Pleyel aus dem Jahr 1839 einzuspielen.

Historisch ist der Konnex zwischen den Préludes und den Pianinos von Pleyel belegt, weil Chopin einige davon mit Hilfe eines solchen Instruments komponiert hatte. Und so bildete die Verbindung zwischen dem Klaviermodell und bestimmten Préludes die Initialzündung für das Projekt „Chopin intime“. Bei dem von Taylor gespielten Klavier handelt es sich zwar nicht genau um das Klavier, das Chopin nach Valldemossa/Mallorca mitnahm und ihm dort bei seiner Arbeit zur Verfügung stand, sondern nach Befragen einschlägiger Werkstättenregister um ein identisches, von Olivier Fadini restauriertes Modell, das etwas später hergestellt wurde.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Klang dieses kleinen Klaviers mit Holzrahmen und nur sechseinhalb Oktaven einen nach der Meinung von Franz Liszt in den hohen Lagen „silbrigen und verschleierten“ Klang aufweist. Justin Taylor spricht über das nur wenige Jahre gefertigte Instrument „mit geringer Spannung“ von „der melancholischen Stimme der Komponisten der damaligen Zeit.“ Es handelte sich um eine typisches Saloninstrument für Räume mit beschränktem Platz, das Chopin beim Komponieren, im Unterricht und für Konzerte im kleinen Kreis verwendete.

Es ist nicht verwunderlich, dass der leicht umflorte, weiche Klang des Instruments die Nocturnes (etwa diejenige Nr. 20 in cis-Moll, op. Posthum P 1, Nr. 16) aber auch die berühmten Préludes Nr. 15 in Des-Dur Sostenuto und Nr. 23 in F-Dur sowie das Klavier-Arrangement der Arie ‚Casta Diva‘ aus Vincenzo Bellinis „Norma“ in ein milchiges Mondlicht taucht. Die derart jeglicher Erdenschwere enthobenen Melodien und ihre harmonischen Wandlungen erzählen kurze Märchen, Geschichten nicht von dieser Welt, die zum Träumen und zu seelischer Einkehr in dämmriger Atmosphäre einladen.

Da es, wie der Pianist in einem Interview vom 6. Dezember 2024 betont, wichtig ist, das Instrument nicht zu überfordern, weil mehr Gewicht oder eine größere Intensität es nicht besser oder lauter klingen lassen, ist der dynamische Radius der Wiedergaben beschränkt. Da erweist sich dann das Presto con fuoco der Prélude Nr. 16 in b-Moll lediglich als knapp aufflammendes Strohfeuer, während das tänzerisch-folkloristische in der Mazurka Op. 30, Nr. 2 in h-Moll ziemlich „unscharf“ und kaum temperamentvoll klingt.

Natürlich rückt das Pianino Pleyel das Empfindsame der Musik in den Vordergrund. Taylor strebt in seiner Interpretation expressis verbis nach Feinfühligkeit, Geschmeidigkeit und Ausgewogenheit und will sich so ein wenig vom rein Rhythmischen abkoppeln. Das ist legitim, und auch was das Argument des präzise vorgeschriebenen Einsatzes von Pedal in Relation zur natürlichen Resonanz anlangt, ist nur folgerichtig. Der charmant zarte Klang und der stets federleichte Anschlag führen aber bei längerem Hören zu einer gewissen Einförmigkeit, zu einer Ermüdung der Aufmerksamkeit, schon weil die dynamischen Kontraste weitaus weniger markant ausfallen, als wir sie von modernen Konzertflügeln her kennen.

Es ist sicherlich reizvoll, einige der hier vorgestellten Stücke auf dem poetisch eindringlichen, ja feenhaft schwärmerischen Pleyel 1839 mit all den agogischen Freiheiten, die Taylor sehr persönlich gestaltet, zu genießen. In der Gesamtheit überzeugt mich das Album jedoch eher als akademische Übung, denn als gültige Alternative zu der in Sachen Klarheit und Brillanz überlegenen Instrumente von Steinway, Fazioli oder Bösendorfer.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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