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CD CAVALLERIA RUSTICANA – Melody Moore, Brian Jagde, Lester Lynch, Dresdner Philharmonie, MAREK JANOWSKI; PENTATONE  

20.03.2020 | cd

CD CAVALLERIA RUSTICANA – Melody Moore, Brian Jagde, Lester Lynch, Dresdner Philharmonie, MAREK JANOWSKI; PENTATONE

 

Veröffentlichung: 10.4.2020

 

„Ostern unter dem Damoklesschwert“ lautet eine Überschrift im Booklet dieser Studioproduktion aus dem Kulturpalast Dresden vom März 2019. Was könnte unsere  Befürchtungen 2020 besser ausdrücken als dieser Satz. Auch wenn er doch nichts will, als dem Ostersonntag, an dem die Handlung zu dem sizilianischen Dorfdrama „Cavalleria Rusticana“ spielt, eine adäquate operntaugliche Headline zu geben. 

 

Santo diavalone, wir alle kennen den genialen Einakter des Bäckersohns aus Livorno mit Chilli im Hintern, der lieber als Kapellmeister einer wandernden Operntruppe anheuerte, als zu studieren.  Und der tatsächlich den ersten Preis der Ausschreibung des Mailänder Verlegers Edoardo Sanzogno mit seiner in nur zwei Monaten fertig komponierten „Cavalleria Rusticana“ gewann. 1888 im Teatro Costanzi in Rom soll der Schlussapplaus so lange wie die Opernaufführung gedauert haben. Der Rest ist Operngeschichte.

 

Die Tonträger Konkurrenz der “Cavalleria rusticana” ist beginnend mit der vom Komponisten selbst dirigierten Aufnahme aus dem Jahr 1940 mit Lina Bruno Rasa, Gigli und Bechi gigantisch, viele Aufnahmen sind überwältigend. Wo steht also die neue Aufnahme?

 

Marek Janowski legt die meisterliche Partitur mit der im üppigem Streichersound schwelgenden  Dresdner Philharmonie symphonisch an. Janowski braucht dafür insgesamt 66 Minuten, bei Mascagni erklingt das “Hanno ammazzato compare Turridu!” nach 78 Minuten. Aber wo Janowski die Musik stetig wie einen gleichförmig mächtigen Fluss dahingleiten lässt (Ausnahme das Trinklied “Viva il vino spumeggiate”), lebt bei Mascagni (in seiner wundervollen Aufnahme) die Musik von den vielen Rubati, dem zündenden Brio, den wie aus dem Nichts animierten und accelerierten Phrasen. Janowksi Deutung fehlt ähnlich derjenigen Thielemanns in Salzburg Italianità, der sizilianische Ehebruch spaziert im roten Orchesterteppich-Wohlklang brav jugendfrei daher. 

 

Was als Manko schwerer wiegt, ist die mittelmäßige  Besetzung dieser doch in erster Linie für exquisit ausdrucksmächtige Stimmen geschriebenen Oper. Melodie Moore gibt eine Schmalspur-Santuzza, alle Gefühlsausbrüche bleiben im lyrisch schüchternen Stimmkleid picken. In der Preghiera “Ineggiamo, il Signor non é morto” ist sie kaum zu hören, später trotz allem was passiert, unauffällig. Da ist Brian Jagde schon ein anderes Kaliber. Im Guten wie im Schlechten lässt dieser amerikanische Tenordraufgänger in der Rolle des Turridu Erinnerungen an Franco Bonisolli wach werden. Leidenschaft, Temperament, tolle Höhe und eine glühende Intensität, die sich so erhitzt, dass der Gesang im ziemlich Ungefähren (Rhythmik, Tempo, Phrasierung) dahinflitzt. Zumindest diejenigen Melomanen wird das aber ansprechen, die Oper wegen ihrer lodernden Leidenschaften faszinierend finden. Lester Lynch als gehörnter Alfio hat hier wesentlich weniger anzubieten. Sein in der Mittellage flackernder Bariton gibt den naiven Fuhrmann bis zum gar nicht furiosen Schluss. Die vollkommen ausgesungene Elisabetta Fiorella ist als Lucia eine Zumutung, die Lola der Roxana Constantinescu klingt eher ältlich denn lasziv verwegen. 

 

Bleibt als Star der Aufnahme neben dem Dresdner Orchester, das das Intermezzo sinfonico prächtig spielt, der Weltklasse MDR Leipzig Radio Chor. So werden die Chornummern  “Gli aranci olezzano sui verdi margini”, das “Regina Coeli laetare” und “A casa amici” zu einsamen Höhepunkten der Aufnahme. 

 

Wie das mit den Solisten anders geht, führen einige meiner neben Mascagni – Lina Bruno Rasa liebsten “Cavalleria rusticana” Aufnahmen vor: Serafin (Simionato, del Monaco), Erede (Tebaldi, Björling, Bastianini), Karajan (Cossotto, Bergonzi, Guelfi), Gardelli (Arroyo, Bonisolli, Weikl), Santi (Rysanek, Domingo, di Bella, Varnay) und Sinopoli (Baltsa, Domingo, Pons). Muti (Caballé, Carreras, Manuguerra) und Levine (Scotto, Domingo) sind ebenso glücklich machende Tonkonserven. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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